Italien bestraft die Lebensretter

Italien hat drei NGO-Rettungsschiffe im Mittelmeer festgesetzt, die Open Arms, die Aurora und die Sea-Eye 4. Die drei Schiffe müssen 20 Tage im Hafen bleiben und die NGOs müssen Tausende Euro Strafe zahlen.

Die Open Arms ist, wie die Sea-Eye 4 und die Aurora, für 20 Tage festgesetzt. Foto: Octagon / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 3.0

(KL) – In den letzten Tagen und Woche haben die Rettungsschiffe der NGOs, die im Mittelmeer Flüchtlinge vor dem Ertrinken retten, mehrere hundert Flüchtlinge in Italien an Land gebracht. Aufgrund ausgehenden Treibstoffs und schwindender Wasservorräte liefen die drei Schiffe Open Arms, Aurora und Sea-Eye 4 nicht die ihnen zugewiesenen Häfen an, sondern Lampedusa. Dafür werden sie nun bestraft. Die drei Schiffe müssen 20 Tage im Hafen festliegen und die NGOs müssen mehrere tausend Euro Strafe zahlen. Grundlage hierfür ist ein unglaubliches neues Gesetz in Italien, das es Rettungsschiffen verbietet, mehrere Rettungsoperationen auf einer Fahrt durchzuführen und den jeweils nächsten italienischen Hafen anzulaufen.

Die Leidtragenden dieser unglaublichen Strafen sind natürlich diejenigen Menschen, die in den kommenden 20 Tagen im Mittelmeer ertrinken werden. Mit „unterlassener Hilfeleistung“ ist das italienische Verhalten nur unzureichend beschrieben, denn hier werden die hilflosesten der Hilflosen zum Tode verurteilt. Allerdings macht man es sich zu einfach, wenn man die Schuld hierfür nur in Italien sucht.

Denn Italien würde mit dieser Situation sicherlich anders umgehen, gäbe es einen Solidar-Mechanismus, der es ermöglichen würde, ankommende Flüchtlinge auf die EU-Staaten zu verteilen. Seit 2015 basteln die europäischen Institutionen an einem solchen Verteilungs-Schema, doch aufgrund der antieuropäischen und unsolidarischen Haltung der Visegrad-Staaten Ungarn, Tschechische Republik, Slowakei und Polen funktioniert die Verteilung der Flüchtlinge nicht. In einer Situation, in der Länder wie Italien, die aufgrund ihrer geografischen Lage diejenigen sind, in denen die Flüchtlinge aus Afrika ankommen, vom Rest Europas alleine gelassen werden, darf man sich nicht wundern, dass die italienische Haltung so defensiv ist. Insofern trägt ganz Europa die Schuld an diesen Fehlentwicklungen.

Ist die Europäische Union nicht vor einigen Jahren mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet worden? Als „Hort der Menschenrechte“? Im Grunde müsste die EU diesen Nobelpreis wieder zurückgeben, denn eine Organisation, die kriminelle Regimes finanziert, damit diese Flüchtlinge drangsalieren, und die Lebensretter bestraft, hat diesen Titel nicht verdient.

Es wäre Aufgabe der EU, Menschenleben im Mittelmeer zu retten, statt mit viel Aufwand das Geschäftsmodell ebenso krimineller Schlepperbanden zu fördern. Denn wenn die Flucht erschwert wird, dann steigen die Preise der Schlepperbanden, ohne dass der Bedarf an den Überfahrten abnimmt. Sie werden lediglich teurer. Insofern stimmt auch die ewige Aussage, nach der die EU einen „Krieg gegen die Schlepper“ führt, nicht – die EU führt lediglich einen Krieg gegen die Flüchtlinge.

Auch die seit Jahren angekündigten Asyl-Zentren auf afrikanischem Boden werden nicht eingerichtet, denn das könnte denjenigen, die eine Chance auf Asyl in Europa haben, eine sichere Überfahrt garantieren. Doch auch das will die EU nicht. Stattdessen finanziert sie die Geheimdienste von afrikanischen Despoten, damit diese mit allen Mitteln die Passage von Flüchtlingen durch ihre Länder stoppen. Dass man in von Despoten regierten Ländern unter „mit allen Mitteln“ etwas anderes versteht als in Europa, darüber sieht man geflissentlich hinweg.

Doch das jetzt diejenigen NGOs, die permanent Menschenleben retten, hierfür bestraft werden, das ist der Gipfel und die Schande Europas. Wenn die EU schon nicht Willens ist, Menschenleben im Mittelmeer zu retten, dann ist das schon schlimm genug, doch dass sie diejenigen bestraft, die an ihrer Stelle diese humanitäre Aufgabe übernehmen, ist ein Skandal.

Die EU müsste diese NGOs mit den erforderlichen Mitteln ausstatten, sie müsste die Strukturen schaffen, mit denen die Asyl-Situation human geregelt werden kann, sie müsste aufhören, Despoten und War Lords zu finanzieren, damit diese Flüchtlinge malträtieren, doch all das passiert nicht. Doch angesichts der zahlreichen anderen Weltkrisen, in denen die EU eine ähnlich schlechte Figur macht wie in der Flüchtlingsfrage, interessiert sich kaum noch jemand für die Tausenden Opfer im Mittelmeer und die Art und Weise, in der Lebensretter kriminalisiert werden.

Es sollte sich niemand wundern, wenn es nach der kommenden Europawahl erstmals eine anti-europäische Mehrheit im Europäischen Parlament gibt. Denn selbst für überzeugte Europäer wird es immer schwerer, diese Institutionen und ihr zynisches und korruptes Verhalten zu rechtfertigen. Wenn es so weitergeht, werden sich die europäischen Institutionen aufgrund massiven Versagens selbst abschaffen. Doch sollte man dann nicht die „dämlichen Wähler“ dafür verantwortlich machen, sondern diejenigen, die tatsächlich verantwortlich sind, aber erneut Posten und Pöstchen anstreben. Und langsam wird die Geschichte der EU zu einem Trauerspiel…

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