Jung für alt und alt für jung

Die Franzosen werden begeistert sein – die Regierung beabsichtigt, einen weiteren Feiertag abzuschaffen und die Arbeitnehmer an diesem Tag für den Staat Frondienst leisten zu lassen.

Wenn die französische Regierung wirklich einen zweiten Frontag einführt, werden wir wieder diese Bilder sehen... Foto: Mikael Marguerie / Wikimedia Commons / CC-BY 2.0

(KL) – Als hätte der französische Präsident Emmanuel Macron nicht schon genug Fässer aufgemacht – nun will er das wiederholen, was 2004 der damalige Premierminister Jean-Pierre Raffarin durchgesetzt hatte: die Abschaffung eines Feiertags. Und besser noch – nicht nur, dass die Arbeitnehmer an diesem Tag arbeiten sollen, ihr Verdienst an diesem Tag soll in die Kassen des Staats fließen, um die immer weiter steigenden Pflegekosten für alte Menschen aufzufangen. Dabei wurden erst vor wenigen Monaten die Sozialabgaben der Rentner erhöht, angeblich, um die Arbeitslosenversicherung abzusichern. So zahlen dann die Alten höhere Beiträge aus Solidarität für die Jungen und die Jungen sollen Frondienste für den Staat leisten, um solidarisch mit den Alten zu sein.

Dass Pflegekosten richtig ins Geld gehen, das weiß man vor allem in Deutschland. Denn Deutschland kämpft bereits seit Jahren mit dem „demographischen Wandel“, also der rapiden Alterung der Gesellschaft. In Frankreich schätzen Experten die Kosten für die Versorgung von auf Pflege angewiesenen Menschen auf rund 30 Milliarden Euro pro Jahr. Da käme es gar nicht schlecht, würden die Menschen nun zum zweiten Mal auf einen Feiertag verzichten und den Verdienst dieses Tags generös der Staatskasse zur Verfügung stellen.

Die französische Haushaltspolitik erinnert ein wenig an jemanden, der in den Schubladen nach den letzten Münzen kramt, um ein Päckchen Tabak zu kaufen. Was reitet nur diese Regierung, sich aber auch mit jeder Gesellschaftsgruppe anzulegen? Langsam fällt es unangenehm auf, dass die aktuelle Politik Frankreichs nur darauf ausgerichtet ist, Reichen das Steuersparen zu erleichtern und Unternehmen Geld hinterher zu werfen, immer in der vagen Hoffnung, Reiche und Unternehmen zusammen würden schon dafür sorgen, dass neue Arbeitsplätze entstehen und damit die Konjunktur anheizen. Doch so viel soziale Ader haben die Reichen dann doch nicht. Sie streichen dankend ihre Erleichterungen ein und machen weiter wie immer.

Auf der anderen Seite attackiert die Regierung aber ungefähr jede und jeden, der nicht in die Kategorie „reich“ fällt. Die Eisenbahner sind in einem auf Monate angelegten Streik festgefahren, um gegen den Abbau sozialer Errungenschaften zu protestieren, die Studenten blockieren wie vor 50 Jahren die Universitäten, die Rentner protestieren gegen die Erhöhung ihrer Sozialbeiträge und als ob das nicht reichen würde, sind nun ALLE Arbeitnehmer ins Fadenkreuz der Regierung geraten. Nicht betroffen von diesem geplanten zweiten „Frontag“ sind, natürlich, alle diejenigen, die nicht von Arbeit, sondern von Renditen, Zinsen und anderen Kapitalerträgen leben. Solidarität ist unter der neuen Regierung etwas, was weniger Begüterte zu leisten haben. Wer sich dagegen auf einem richtig dicken Bankkonto ausruhen kann, der ist auch netterweise von jeder Art Solidarleistung ausgenommen, denn zum Glück wurde ja die Steuer auf große Vermögen abgeschafft.

Steckt hinter diesem Angriff auf das soziale Netz am Ende Kalkül? Sucht die neue französische Regierung den ganz großen Clash mit der eigenen Bevölkerung? Dass der Vorschlag eines zweiten „Frontags“ bei den Gewerkschaften auf nackte Ablehnung stößt, damit haben die Strategen der Regierung sicherlich gerechnet. Aber warum dann diese Maßnahme und vor allem, warum jetzt? Ist das etwa das, was Emmanuel Macron im Europäischen Parlament als „Autorität der Demokratie“ bezeichnete? Will er die Polizeikräfte aufrüsten und dies mit den von ihm selbst entfachten sozialen Unruhen begründen?

Dass es die Regierung mit diesem zweiten „Frontag“ ernst meint, das erkennt man daran, dass es bereits einen Zeitplan dafür gibt. Ende 2018, spätestens Anfang 2019 soll es so weit sein. Ob der Weg Frankreichs aus der Krise darüber führt, mit allen Mitteln soziale Unruhen zu schüren, wird sich zeigen. Es wäre allerdings das erste Mal in der Geschichte, dass eine derart repressive Politik eine Lösung für irgendetwas wäre. Aber wir leben in Zeiten, in denen Ungewöhnliches geschieht – hoffen wir also darauf, dass der soziale Kahlschlag in Frankreich am Ende für alle Beteiligten ein Erfolgsmodell wird. Und nicht nur für die Superreichen.

1 Kommentar zu Jung für alt und alt für jung

  1. Dass Herr Macron, nach den neuesten Umfragen, wahrscheinlich genauso wiedergewählt würde wie vor einem Jahren, ist Ihnen wahrscheinlich entgangen. Und von wegen Studentenblockade, bin mir nicht sicher, das die Blockierer die Mehrheit hinter sich haben. Das Gegenteil ist der Fall!
    Bertrand Linder

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