Kalkulierte Peinlichkeiten

Der Besuch von US-Präsident Donald Trump in Großbritannien verläuft so, wie man es sich vorgestellt hatte. Doch während die europäischen Intellektuellen noch überheblich lächeln, landet Trump einen riesigen Coup.

Mit seiner Tolpatschigkeit bringt er selbst die Queen zum Lachen - und erreicht dabei alle seine politischen Ziele. Foto: ScS EJ

(KL) – Donald Trump neben der Queen, Donald Trump neben Theresa May. Donald Trump grobschlächtig, Donald Trump großmäulig, Donald Trump unverschämt, Donald Trump, wie man ihn kennt. Europa lacht. Was für ein grobschlächtiger Trottel das doch ist! Und während wir Europäer noch lachen, hat sich der US-Präsident einen Brückenkopf vor der europäischen Küste gekauft, von wo aus er bestens kontrollieren kann, was auf dem alten Kontinent passiert. Und wenn man genau hinschaut, dann merkt man, dass die Peinlichkeiten von Donald Trump Kalkül haben und dass seine Taktik funktioniert. Denn mit diesen Peinlichkeiten lenkt Trump die Aufmerksamkeit von seinen eigentlichen Zielen ab.

Wie der entfernte Onkel aus Amerika gebärdete sich Donald Trump, brachte Geschenke wie das Versprechen auf neue Handelsabkommen und gemeinsamen Reichtum oder auch die Aussicht auf eine very special Beziehung zwischen den USA und Großbritannien. Damit suggerierte Donald Trump den leichtgläubigen Briten (wie leichtgläubig sie sind, das weiß man spätestens seit dem Referendum 2016…), dass die USA bereit stünden, um die Folgen des Brexit abzufedern. Der Preis dafür ist eher symbolisch – Donald Trump erwartet, dass Großbritannien eine Art 51. Staat der USA wird. 28 minus 1 gleich 51, so die Arithmetik des US-Präsidenten.

Mit seinem Auftritt greift Donald Trump ganz massiv in europäische Angelegenheiten ein. Dabei stachelt er geradezu die britische Bevölkerung auf, im Vertrauen auf Uncle Sam den Europäern den harten Tritt zu geben, den durchgeknallten Boris Johnson zum Regierungschef zu machen, Nigel Farage mit den Austrittsverhandlungen zu beauftragen. Nur – was für Austrittsverhandlungen? Es gibt nichts mehr zu verhandeln. Wenn die Briten unbedingt aus der EU austreten und sich den USA an den Hals werfen sollen, bitteschön, dann eben tschüss. Dann aber auch sofort und ohne weitere Abstrusitäten wie den Einzug britischer Europaabgeordneter ins neue Europäische Parlament. Denn jetzt reicht es.

Die Vorstellung, die USA würden als großer Bruder schützend ihre Hand über das Vereinte Königreich halten, ist ungefähr so glaubwürdig wie die Aussage von Nigel Farage 2016, als er behauptete, die britische Regierung würde Woche für Woche 350 Millionen Pfund nach Brüssel überweisen. Doch offenbar sind die Briten in einem Stadium der Verzweiflung angekommen, in dem sie das glauben, was sie glauben möchten. Auch, dass die USA den wirtschaftlichen Zusammenbruch Großbritanniens nach dem Brexit auffangen würden. Wie immer wird das Erwachen schmerzhaft, wie immer werden sich Politiker finden, die aus einer katastrophalen Situation noch Schlimmeres zaubern. Das ist eben Großbritannien.

Doch Europa sollte sehr genau hinhören, was sich die neuen besten Freunde gerade ins Ohr flüstern.  Donald Trumps Interesse ist es, einen Keil durch Europa zu treiben und damit die EU zu schwächen. Angesichts des mangelnden Selbstbewusstseins der Europäer ist das noch nicht mal eine schwierige Aufgabe. Ein schwaches Europa hält Trump den Rücken für diejenigen Auseinandersetzungen frei, die ihm wichtig sind – China und Russland. Und noch ein paar Schurkenstaaten.

Es kann nicht sein, dass sich Donald Trump in Europa einen solchen Brückenkopf baut und dabei diejenigen Briten auf seine Seite zieht, die zuvor schon für den Brexit gestimmt haben. Wenn sich Großbritannien tatsächlich zu einer Art 51. Staat der USA entwickeln, dann wird dies natürlich Konsequenzen für die Beziehungen zwischen der EU und Großbritannien haben, die dann von Washington und nicht von London aus gemanagt werden.

Doch statt nun endlich einmal auf den Tisch zu schlagen, wird die EU höflich lächeln, sich weiterhin ein wenig über den tolpatschigen Trump erheitern und zuschauen, wie die USA im europäischen Vorgarten eine neue Basis aufbauen. Vielleicht wird sogar der eine oder andere sagen, dass ihn Trumps Vorgehen irritiert, aber das wäre schon eine starke Reaktion.

Bei all dem Gerede um die technischen Aspekte rund um den Brexit haben wir ein wichtiges Thema völlig übersehen. Ebenso, wie wir lernen mussten, dass die USA nicht mehr der immer präsente Weltpolizist und ewige Verbündete sind, so müssen wir einen neuen Umgang mit Großbritannien lernen. Die spielen nämlich inzwischen auf einem anderen Hof mit neuen Freunden. Das Vertrauen, das für eine gute Zusammenarbeit erforderlich ist, werden sich die Briten neu erarbeiten müssen. Es sei denn, es passiert noch ein Wunder und es kommt zu einem „Final-Say-Referendum“, und der ganze Spuk wird noch gestoppt. Das wird allerdings von Tag zu Tag unwahrscheinlicher.

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