Macrons letztes Aufgebot
Mit Spannung wurde die Ernennung des neuen Kabinetts der neuen Premierministerin Elisabeth Borne erwartet. Aber die neue Regierung ähnelt eher einer B-Mannschaft.
(KL) – Noch nie in der V. Französischen Republik gab es derart viele Ministerwechsel wie während der ersten Amtszeit von Emmanuel Macron. Weit über 20 Minister und Staatssekretäre mussten in dieser Zeit ihren Posten räumen, entweder wegen handfester Skandale, persönlichem Fehlverhalten oder weil sie entnervt das Handtuch warfen, weil unter Macron nicht einmal ein Minister Politik machen kann. Das Ergebnis war, um einen Vergleich mit dem Eishockey zu bemühen, dass am Ende der ersten Amtszeit Macrons nur noch der dritte Sturm auf dem Eis war. Doch auch der ist inzwischen verheizt und nun kommen in der neuen Regierung eine Handvoll Unbekannter zu Ministerposten, während ein paar der treuesten Adlaten weiterhin in einer Regierung bleiben dürfen, die in der Praxis nichts zu regieren hat. Kurz, das Kabinett „Borne I“ ist eine Enttäuschung. Vor allem, wenn man bedenkt, dass es wahrscheinlich ist, dass nach den Parlamentswahlen am 12. und 19. Juni die Regierung komplett umgebildet werden muss, nämlich dann, wenn die Franzosen Macron eine erneute Mehrheit im Parlament verweigern.
Wer darf weiterhin Minister bleiben? Drei Posten bleiben unverändert. Bruno Le Maire bleibt „Superminister“ für Wirtschaft und Finanzen; Innenminister bleibt Gerald Darmanin, der sich massiver Vorwürfe wegen sexueller Belästigung seiner Mitarbeiterinnen ausgesetzt sah und der von einem Skandal zum nächsten hechelnde Eric Dupond-Moretti bleibt Justizminister. Trostpreise gibt es für den in der Pandemie mehr als unglücklich agierenden Gesundheitsminister, der nun „Minister für die Beziehungen zum Parlament und das demokratische Leben“ wird (und der als Gesundheitsminister von Brigitte Bourguignon ersetzt wird und auch für den jungen bisherigen Regierungssprecher Gabriel Attal, der nun Vizeminister für die öffentlichen Konten wird. Regierungssprecherin wird nun eine gewisse Olivia Gregoire. Die praktisch niemand kennt. So etwas nennt man zwar „politisches Gnadenbrot“, aber immerhin. Den Betroffenen sichern diese „Trostpreise“ wenigstens satte Einkommen und jede Menge Privilegien.
Dann kommen die neuen, der vierte Sturm auf dem Eis. Nachdem in den letzten fünf Jahren praktisch alles verheizt wurde, was politisch halbwegs das Ruder halten konnte, schlägt nun erneut die Stunde der Neulinge. Das, was man als Unerfahrenheit und Amateurismus betrachten könnte, ist in Macrons Lesart der „unverbaute Blick auf die Dinge“. Da kann man den Neuen nur viel Glück wünschen. Beispielsweise dem neuen französischen Kulturminister Rima Abdul Malak, oder dem neuen Kultus- und Jugendminister Pap Ndiaye oder auch der neuen Außenministerin Catherine Colonna. Vielleicht schaffen sie es ja, dass sich in vier Wochen die Franzosen wenigstens ihre Namen merken können, falls sie dann schon wieder abgelöst werden.
Aber letztlich ist die Ernennung der Kabinettsmitglieder für Emmanuel Macron nicht mehr als eine lästige Pflichtübung. Unter seiner Alleinherrschaft haben selbst die Regierungschefs, also die Premierminister, keinerlei Gestaltungsspielraum, da in Frankreich nur einer herrscht – Emmanuel Macron.
Das Hin und Her um das neue Kabinett ist ein weiteres Beispiel für das Machtgeprotze in den Pariser Palästen. Angesichts der Tatsache, dass bereits am 19. Juni die neue Nationalversammlung steht, wäre es sinnvoller, effizienter und billiger gewesen, wäre die alte Regierung bis dahin kommissarisch im Amt geblieben. So aber musste eine „Regierungsmannschaft“ zusammengetrommelt werden, die den meisten Franzosen unbekannt ist und die den unglaublichen Amateurismus der letzten fünf Jahre für vier Wochen weiter betreiben werden.
Große Enttäuschung gibt es bei den elsässischen Politikern und Politikerinnen, die sich Hoffnung auf einen Ministerposten gemacht hatten. Weder die bisherige Ministerin Brigitte Klinkert, noch der Präsident der Region Grand Est Jean Rottner, noch Duerkandidat und Dauerverlierer bei Wahlen Alain Fontanel wurden berücksichtigt.
Man weiß gar nicht, ob man sich wünschen soll, dass dieses Kabinett auch nach dem 19. Juni im Amt bleiben kann oder ob man sich eine neue Mehrheit wünschen soll. Denn Macron gehen die geeigneten Kräfte aus und mit dieser B-Mannschaft wird es nicht viel zu gewinnen geben. Dieses neue Kabinett ist eine Art politischer Offenbarungseid und den Franzosen bleibt nur noch die eine Chance der Parlamentswahlen am 12. und 19. Juni, um zu verhindern, dass Alleinherrscher Macron noch einmal fünf Jahre Zeit bekommt, Frankreich in das „Ungarn Westeuropas“ zu verwandeln. Die Ernennung der neuen Minister trägt auf jeden Fall nicht dazu bei, das grundlegend erschütterte Vertrauen der Franzosen in diese Politik zu steigern. Im Gegenteil.
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