Mit der Covid-Krise hat das nicht zu tun…

Als ob alles gerade nicht schon schlimm genug wäre, versuchen die französischen Behörden, die Zensur wieder einzuführen. Die Medien wehren sich.

Vor Jahrhunderten abgeschafft, will die französissche Regierung wieder die Zensur einführen... Foto: Udo frim Berlin, Deutschland / Wikimedia Commons / CC-BY 2.0

(KL) – Der offene Brief von rund 50 bekannten Journalisten, Chefs der großen Sendeanstalten und privater Produktionsfirmen sollte ein Weckruf sein. Die Unterzeichner dieses offenen Briefs wehren sich dagegen, dass sie eine Vereinbarung unterzeichnen sollen, nach der sie künftig Reportagen und Berichte über Polizeieinsätze von der Polizei selbst freigeben lassen müssen. Eine Reportage oder ein Bericht, der nicht von der Polizei freigegeben wird, darf folglich nicht veröffentlicht werden. Da muss die Frage gestattet sein, wohin diese Regierung steuert – denn so, wie sich die „Macronie“ verhält, haben alle totalitären Systeme der Welt begonnen.

Nach den Vorstellungen der Regierung soll die Polizei das Recht erhalten, „vor der ersten Ausstrahlung die Sendung in ihrer endgültigen Fassung mit einem Vorlauf anzusehen, der es ermöglicht, noch Änderungen durchzuführen. […]. [Die Polizei] ist alleine befugt, einen produzierten Inhalt endgültig nach Prüfung der juristischen, ethischen und berufsständischen Aspekte freizugeben. […] Die Sendungen dürfen das Markenimage der Nationalen Polizei nicht beschädigen und dürfen keine Szenen enthalten, die als „schockierend“ empfunden werden können […]. Kein Auszug darf ohne ausdrückliche Genehmigung des Vertreters der Nationalen Polizei ausgestrahlt werden.“

Damit soll die Zensur in Frankreich wieder eingeführt werden. Erstaunlich ist dabei, dass dieser erneute Anschlag auf Grundrechte und sogar Menschenrechte gar nicht mehr bemäntelt wird – die Unverfrorenheit, mit der diese Regierung versucht den Rechtsstaat abzuschaffen, ist unglaublich. Der fadenscheinige Vorwand der Regierung, man „wolle dadurch die Journalisten besser schützen“, ist ein Witz. Unwillkürlich erinnert man sich daran, dass die Verhaftungen der oppositionellen Abgeordneten 1933 durch die Nazis unter dem Arbeitstitel „Schutzhaft“ rechtfertigt wurden. So weit wie die französische Regierung gehen nicht einmal die Ungarn und die Weißrussen – die Regierung bereitet das Terrain für die „Macronie 2.0“ oder direkt den rechtsextremen „Front National“ vor.

Die Reaktion der französischen Leitmedien ist bemerkenswert, denn zum einen leiten viele der Unterzeichner öffentlich-rechtliche Anstalten und Sender und zum anderen hat die Regierung gerade durch die Ankündigung einer Finanzspritze von einer Milliarde Euro für diese Medien versucht, sich das Wohlverhalten eben dieser Leitmedien zu sichern. Von dieser Milliarde geht natürlich kein Cent an unabhängige Medien, denn unabhängige Medien werden in Frankreich im Jahr 2020 als potentielle Staatsfeinde betrachtet. Doch die wahren Staatsfeinde sitzen in teuren Anzügen in den Pariser Palästen…

„Wir werden unsere Journalisten nicht für Demonstrationen akkreditieren lassen“, schreiben die Unterzeichner des offenen Briefs (hier im vollen Wortlaut). Denn der Preis für eine Akkreditierung (und damit das vage Versprechen, dass die so akkreditierten Journalisten bei den Demonstrationen nicht verprügelt, beschossen und verhaftet werden) ist die Unterwerfung unter diese „Zensur-Vereinbarung“.

Es wird immer deutlicher, dass der Versuch, in Frankreich ein autoritäres System zu erreichten, nichts mit den aktuellen sanitären und wirtschaftlichen Problemen zu tun hat. Die Regierung nutzt einfach den Ausnahmezustand, um einen Systemwechsel durchzuführen, dessen einziges Ziel ist, den aktuellen Machthabern ihre Positionen zu sichern und jede Art des Protests oder gar des Widerstands zu brechen.

Dieser offene Brief wird zahlreiche Chefs von Medien, die in den Kreis der „Präsidenten-Presse“ gehören, ihre Jobs kosten. Daher muss man vor dem Mut dieser Medienschaffenden den Hut ziehen. Frankreich 2020 – ein Land im Wandel vom „Champion der Menschenrechte“ hin zu einem autoritären Staat, der sich so organisieren will wie diejenigen Länder, denen Präsident Macron ungefragt Woche für Woche mahnende Tipps zum Thema Demokratie gibt. Statt Frankreich mit all seinen Sozialkonflikten zu befrieden, gießt diese Regierung fast täglich Öl ins Feuer und vertieft den Graben zwischen der Gesellschaft und der Pariser Kaste der Politik und Verwaltung. Diesen gefährlichen Weg können nur die Franzosen selbst verlassen, indem sie bei den kommenden Wahlen (Regionalwahlen 2021, Präsidentschafts- und Parlamentswahlen 2022) diese Machtclique vom Hof jagen. Das Beispiel der USA zeigt, dass es möglich ist, solche autoritären Staatenlenker nach Hause zu schicken…

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