Muskelspiele hüben wie drüben

Nach der völlig überflüssigen Aussage von Frankreichs Präsident Emmanuel Macron zur Entsendung westlicher Truppen in die Ukraine, kam gestern die Antwort von Wladimir Putin.

Die martialischen Muskelspiele in Ost und West werden den Krieg in der Ukraine nicht beenden können... Foto: Kremlin.ru / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 3.0

(KL) – Damit musste man rechnen, nachdem Emmanuel Macron einen Einsatz westlicher Bodentruppen in der Ukraine „nicht mehr ausschließen“ wollte. Auch die entsetzten Reaktionen aus fast allen westlichen Hauptstädten auf Macrons Alleingang konnten Putin gestern bei seiner Rede an die Nation nicht mehr stoppen – der russische Präsident, der in zwei Wochen in einer Farce einer Wahl im Amt bestätigt werden wird, drohte gestern dem Westen offen mit einer nuklearen Eskalation des Kriegs in der Ukraine.

Auch, wenn Putin immer noch von einer “militärischen Spezialoperation” spricht, wenn er seinen Krieg in der Ukraine meint, so sollte man seine Drohungen genau analysieren. So wiederholte er mehrfach, dass Russland über weitreichende Waffen verfügt und wer sich an den Beginn dieses Kriegs erinnert, der erinnert sich auch an die Stationierung von Atomraketen in Kaliningrad, das sich an der Ostsee in Sichtweite zu Polen befindet und von wo aus Atomraketen die westlichen Hauptstädte London, Paris oder Berlin in rund zwei Minuten erreichen können.

Selbst Historisches fügte Putin seiner Rede hinzu, als er an das Schicksal derjenigen erinnerte, die in der Vergangenheit Truppen auf russisches Gebiet geschickt hatten. Ohne Frankreich und die Beresina und Deutschland und Stalingrad zu erwähnen, ist es eine historische Tatsache, dass Angriffe auf Russland für die Angreifer immer in einem Desaster geendet sind.

Die Situation in der Ukraine ist inzwischen völlig festgefahren und Putin sagte deutlich, was die russischen Ziele sind. „Wir werden alles daran setzen, diese Operation mit Frieden zu beenden“, sagte Putin und was er damit meint, ist auch klar. Die Ukraine soll unterworfen und unter russische Kontrolle gestellt werden. Das „Wettrennen“ im militärischen Bereich ist Putin bereit anzunehmen, und dabei weiß er um die Unterstützung seiner Partner in den inzwischen erweiterten BRICS-Staaten, die ebenso wie Russland eine „neue Weltordnung“ anstreben und wohl auch die Mittel haben, solche Pläne umzusetzen, repräsentieren die BRICS-Staaten doch weitaus mehr als die Hälfte der Weltbevölkerung.

Die Vorstellung, Russland würde auch nur einen Moment darüber nachdenken, sich von der Krim und aus den annektierten Regionen zurückzuziehen, ist illusorisch. Die Vorstellung, die russische Armee könnte aus der Ukraine zurückgedrängt werden, wird täglich an der Front widerlegt, wo die russische Armee Stück für Stück vorrückt, während die ukrainischen Verteidiger immer mehr unter Druck geraten.

Da nützen die markigen Sprüche von Selenskyi und westlichen Politikern wenig, die vom „Sieg über Russland“ schwafeln. Einen solchen Sieg wird es kaum geben, denn hinter dem ohnehin schon hochgerüsteten Russland und seinem nuklearen Waffenarsenal stehen mit Ländern wie China und dem Iran und vielen anderen auch Partner, die Russland beim Erreichen seiner sinistren Ziele helfen können und werden. Einen offenen Krieg in der Ostukraine anzustreben, wäre für den Westen der sicherste Weg in den III. Weltkrieg und nachdem die Welt im letzten Jahrhundert zwei Weltkriege erlebt hat, sollte sich irgendwann die Erkenntnis durchsetzen, dass es wenig bringt, Millionen Menschenleben für die Interessen einer Handvoll Mächtiger zu opfern.

Putin wird sich nicht davon beeindrucken lassen, dass ein französischer Präsident mit em Einsatz von einigen Zehntausend westlicher Soldaten droht und auch Putin hat die entsetzten Reaktionen aus den westlichen Hauptstädten gehört. Nach mehr als zwei Jahren eines Kriegs, den die Ukraine und der Westen nicht ohne ein beispielloses Gemetzel auf beiden Seiten gewinnen können, wäre es an der Zeit, den wenigen Stimmen zuzuhören, die noch von Frieden sprechen.

Erstaunlicherweise ist es erneut der türkische Präsident Erdogan, der anbietet, eine Friedenskonferenz in der Türkei auszurichten, wie er es bereits im März 2022 getan hatte. Damals wollte die Ukraine nicht auf die russische Forderung nach Neutralität der Ukraine und den Verzicht auf eine NATO-Mitgliedschaft eingehen, sondern auf Anraten von Boris Johnson den Kampf. Doch diesen Kampf wird die Ukraine, vor allem angesichts der ausbleibenden Hilfen aus den USA und der militärischen Schwäche Westeuropas nicht gewinnen können. Statt vollmundigen Siegesparolen wäre es nun angebracht, ernsthaft über Wege zum Frieden zu diskutieren, statt sich von einer Kriegskonferenz zur nächsten zu hangeln. Es sei denn, man ist wirklich erpicht auf einen Atomkrieg auf europäischem Boden. Wer dabei was gewinnen will, muss erst noch erläutert werden.

2 Kommentare zu Muskelspiele hüben wie drüben

  1. Putin verlangt weit mehr als nur eine Neutralisierung der Ukraine. Das zu verstehen scheint jedoch die Vorstellungskapazitäten einiger westlichen Kommentatoren zu überfordern. Macrons Äusserungen waren sehr unglücklich, weil sie nicht mit den westlichen Partnern abgesprochen waren. Deren Reaktion ist aber auch sehr ungeschickt weil Abschreckung nicht nur eine nukleare sondern auch eine Konventionnelle Dimension umfasst.

    • Sie haben sicherlich mitbekommen, was die Russen im März 2022 bei den Verhandlungen in der Türkei vorgeschlagen hatten. Diese Informationen stammen übrigens nicht von phantasielosen westlichen Kommentatoren, sondern vom Chef der ukrainischen Delegation. Das russische Angebot sah vor, dass der Konflikt sofort beendet wird, wenn die Ukraine akzeptiert, neutral zu bleiben und kein Mitglied der NATO zu werden. Es ist wie bei jedem Weltkrieg, man überzeugt die Bevölkerung, dass der Krieg “alternativlos” sei und heizt dann die Kriegsmaschine an. Wenn ich heute schon Kommentare lese, in denen Menschen verkünden, dass sie stolz wären, dürften sie dann ihre Söhne in den Krieg schicken, dann denke ich mir, dass der Kriegswahnsinn inzwischen auch Menschen erwischt hat, die eigentlich nicht dumm sind. Es ist wie 1914 und 1939. Und das Ergebnis wird nicht etwa das gleiche sein, denn damals verfügten die wahnsinnigen Staatenlenker nicht über die Waffen, über die sie heute verfügen. Aber das Bedauern über das blinde “Hurra!”-Geschrei wird, wie immer, erst dann kommen, wenn das Schlimmste schon passiert ist.

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