Nach Boris Johnson wird es kaum besser werden…

Die Tories suchen fieberhaft nach einem Nachfolger für Boris Johnson. Doch wer das Rennen auch gewinnt, die Chancen stehen schlecht, dass sich in Großbritannien etwas verbessern wird.

Der frühere Finanzminister Rishi Sunak ist der Favorit auf die Nachfolge von Boris Johnson. Foto: HM Treasury / Wikimedia Commons / OGL 3

(KL) – Das Rennen um die Nachfolge von Boris Johnson als Parteichef der britischen Konservativen und damit auch in der Folge als Regierungschef, ist ein Hauen und Stechen, mal oberhalb der Gürtellinie, doch häufig auch darunter. Fünf Kandidaten und Kandidatinnen sind noch im Rennen und bis Mittwoch wollen die Tories die beiden letzten Kandidaten für die Stichwahl nominiert haben. Bis dahin wird täglich bei Abstimmungen jeweils ein Kandidat aussortiert. Viel besser wird es danach aber in Großbritannien auch nicht werden.

Während sich das Vereinte Königreich einer Rekord-Hitzewelle nähert, besteht die britische Regierung nur noch auf dem Papier. Boris Johnson nutzt seine letzten Tage an der Macht dafür, was er am besten kann – Party machen. Währenddessen ist ein brutaler Kampf um die Macht in London ausgebrochen, bei dem sich die Kandidatinnen und Kandidaten gegenseitig mit stockkonservativen Positionen überbieten. Davon, den unsäglichen Brexit rückgängig zu machen oder gar die Einheit des Vereinten Königreichs retten zu wollen, spricht niemand.

Favorit ist momentan der frühere Finanzminister Rishi Sunak, der in den bisherigen Abstimmungsrunden vorne lag. Dahinter liegt Außenministerin Liz Truss. Schlechter sieht es für die Handels-Staatssekretärin Penny Mordaunt aus, die der Partei offenbar nicht „rechts“ genug ist. Der Abgeordnete Kemi Badenoch und der Chef des Auswärtigen Ausschusses Tom Tugendhat haben wohl nur noch Außenseiterchancen, ihnen fehlt es am Rückhalt in der eigenen Partei.

Doch was wird der oder die neue Parteichef(in) tatsächlich an der britischen Politik ändern? Abgesehen davon, dass die Chancen hoch stehen, dass der nächste Tory-Chef etwas weniger durchgeknallt sein wird als Boris Johnson, wird sich an der britischen Politik wenig ändern. Themen wie der Brexit, die Irland-Frage, das Verhältnis zur EU oder das nächste schottische Unabhängigkeits-Referendum spielen bei der Nachfolger-Kür überhaupt keine Rolle, dafür geht es um Themen wie den Umgang mit Zuwanderern, Steuererleichterungen und Gender-Fragen, also um Themen, bei denen sich erzkonservative Positionen gewinnbringend verkünden lassen. Doch alleine die Themen-Schwerpunkte deuten darauf hin, dass sich zwar der Mieter der Downing Street 10 ändern wird, nicht aber die britische Politik.

Zum wiederholten Mal haben die Briten, oder zumindest ein Teil von ihnen, die Möglichkeit, den Absturz des Vereinten Königreichs zu verhindern. Doch wie jedes Mal, wenn diese Situation eintritt, stimmen die Briten nicht einmal für das vermeintlich geringste Übel, sondern mit einer Art Endzeit-Lust für den- oder diejenige Kandidaten(in), der am ungewöhnlichsten daherkommt. Mit Rationalität hat das nichts mehr zu tun, doch sind irrationale Wählerentscheidungen ein Phänomen, mit dem sich in letzter Zeit zahlreiche Länder herumschlagen müssen.

Es steht zu befürchten, dass sich zwar in nächster Zeit der Politik-Stil in London verbessern könnte, dafür steht Großbritannien allerdings vor einem neuerlichen Rechtsruck, ohne dass jemand in der Lage zu sein scheint, die wirklich existentiellen Probleme der britischen Insel anzupacken und möglichst zu lösen.

Angesichts des politischen Ideenvakuums in London hätten die Briten ihren Boris Johnson auch behalten können. Denn im Gegensatz zu seinen potentiellen Nachfolgern hatte „BoJo“ wenigstens so etwas wie einen Unterhaltungswert…

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