Neuanfang sieht anders aus…

Die SPD 1928 in Hamburg Foto: BWellhausen/Wikimédia Commons/CC-BY-SA/4.0Int

Die SPD kommt einfach nicht in die Gänge. Offenbar haben die Sozialdemokraten immer noch nicht verstanden, dass gerade ein neues Zeitalter anbricht. Und bei dieser neuen politischen Ära scheint die SPD nicht mitmischen zu wollen.

(KL) – Schaut man sich die aktuellen Umfragewerte der „Sonntagsfrage“ des Instituts FORSA an, dann sieht man, dass sich die Union solide bei 36 % eingerichtet hat, erstaunlicherweise ohne ihre Personalfragen geklärt zu haben, gefolgt von den Grünen (22 %), die ihr Zwischentief überwunden haben, dahinter die SPD mit 14 %, Die Linke und die AfD mit jeweils 8 % und die FDP, die wie immer um die 5 % und damit die Daseinsberechtigung in der politischen Landschaft kämpft. Und es wird offensichtlich, dass die SPD mit der frühen Festlegung auf den Kanzlerkandidaten Olaf Scholz mal wieder daneben gegriffen hat.

Dass die Union weit vorne liegt, ist wenig verwunderlich – die Regierung gibt sich redlich Mühe, die Coronakrise in den Griff zu bekommen, kommuniziert transparent und stellt sich den Diskussionen. Die Grünen wiederum stehen nach wie vor für Zukunftspolitik, hat sich doch an den Problemen wie Umwelt, Klima und Soziales durch die aktuelle Krise nichts verändert, im Gegenteil. An den Rändern bröckelt die Zustimmung bei Die Linke und der rechtsextremen AfD ein wenig ab – mit jeweils 8 % rutschen beide weiter in Richtung FDP, die seit gefühlten zwei Jahrzehnten immer um die 5 % herum dümpelt.

Bleibt das politische Sorgenkind SPD. Was hat die SPD nur geritten, Olaf Scholz bereits so früh zum Kanzlerkandidaten zu küren? Ein Apparatschick, wie er im Buche steht, völlig frei von Charisma und Sympathiewerten, ein Sachverwalter des Status Quo und das in einem Moment, in dem Innovationen, Perspektiven und Moderne gefragt sind. Dass die Zeiten, in denen man sich in der Partei hochzudienen hat, vorbei sind, das ist bei der SPD noch nicht durchgedrungen. Politisches Talent und neue Ideen scheinen bei der SPD keinen großen Wert darzustellen, sonst hieße der Kandidat der Sozialdemokraten Kevin Kühnert oder Hubertus Heil. Das Ergebnis dieses mut- und kraftlosen Gebarens – 14 %. Mit viel Glück könnte das gerade noch als zweiter Juniorpartner in einer Koalition reichen, wobei CDU/CSU und Grüne die SPD wohl kaum brauchen werden.

Eigentlich bräuchte man heute eine funktionierende Sozialdemokratie dringender als je zuvor. Ein Regulativ zum sozial kalten Neoliberalismus wäre erforderlich, will man verhindern, dass soziale Konflikte zu einer Gefährdung der Demokratie werden. Doch die SPD benimmt sich wie ein Pferd vor dem Sprung über den Wassergraben, das im letzten Moment scheut und dann doch lieber in altbekannte Muster verfällt. Steinbrück, Schulz, Steinmeier – im Grunde sind diese Kandidaten fast austauschbar gewesen. Geeint hat sie vor allem eines – der Misserfolg.

Warum man jetzt noch einen Olaf Scholz hinterherschickt, das versteht niemand mehr. Wenn die SPD so weitermacht, etabliert sie sich dauerhaft in der Opposition – und das wäre ein Verrat an 150 Jahren Sozialdemokratie. Noch wäre es für einen Richtungswechsel nicht zu spät, noch verfügt die SPD über zahlreiche politische Talente. Doch wenn sie jetzt mit Olaf Scholz weitermacht, dann läuft die alte Dame SPD Gefahr, dauerhaft in der Versenkung zu verschwinden. Für Deutschland wäre das ein herber Verlust.

 

1 Kommentar zu Neuanfang sieht anders aus…

  1. Michael Magercord // 21. September 2020 um 14:26 // Antworten

    Ja, das stimmt, die Sozialdemokraten haben nicht verstanden, dass eine andere Zeit angebrochen ist, aber das kann man ihnen nicht zum Vorwurf machen. Das liegt in ihrer Natur, diese Zeitenwende nicht wahrnehmen zu können. Mit einem Sozialdemokraten allein könnte man vielleicht noch darüber diskutieren, dass es vorbei ist mit dem Modellarbeitnehmer, lohnabhängig beschäftigt, mit Arbeitsvertrag ausgestattet und nun auch noch Kurzarbeitergeld berechtigt. Man könnte vielleicht von einem einzigen Sozialdemokraten das Eingeständnis hören, dass es nun auch anderer Mittel bedarf, den sozialen Absturz großer Teile der Bevölkerung etwa in die Altersarmut aufzuhalten, als scheinheilige “Respektrenten” zu ersinnen, die lediglich Rentenversicherungsmathematiker ob der Undurchschaubarkeit ihrer Berechnungsgrundlagen erfreuen. Aber sobald zwei Sozialdemokraten in ihrer Cloud zusammenhocken und von alten Zeiten träumen, wird es keinen Weg zu Grundeinkommens- oder Grundrentenmodellen geben. Und ja, das ist schade, weil die SPD ja immerhin – anders als die Konservativen – eine soziale Kernsicherung im Grunde anstrebt, nur leider eben auf Wegen, die ins Vorgestern führen. Aber sie können eben nicht anders, deshalb braucht sie niemand mehr bis auf letzten verbleibenen abgesicherten Arbeitnehmer mit ausreichendem Rentenanspruch – und die stellen nun eben einmal noch so ungefähr 15 Prozent des Wahlvolks. Die Sozialdemokraten in der Regierung haben nun auch noch die Spendierhosen angezogen, allerdings ist das Hosenmodell, das sie ausgesucht haben, etwas aus der Mode gekommen: Denn statt überalte Strukturen wie Lufthansa oder Verbrennungsmotorindustrien über Staatsbeteiligungen und Kurzarbeitergeld aufrechtzuerhalten, sollte man das Geld für alle Menschen bereithalten: als Garantie an jeden Bundesbürger nämlich, nicht einem Absturz ausgesetzt zu werden, und zwar über eine Grundversorgung ohne Hartz 4-Vorbedingungen einer vorherigen Verarmung. Also keine Unternehmen retten, sondern Menschen – und wer weiß, welche neue wirtschaftliche Dynamik – vermutlich eher kleinteiliger als heute – sich daraus ergeben würde… Aber klar, das ist mit Sozialdemokraten nicht zu machen, also wird diese Corona-Chance ungenutzt vorbeigehen. Ja, schade das alles, nur um eines ist es nicht schade: die SPD in dieser heutigen Verfassung.

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