Neunzehn Tage Kult im Staub

Das Freiburger Zelt-Musik-Festival startet bei Gluthitze in seine 33. Auflage.

Aufbruchstimmung beim Freiburger Mundenhof am Tag vor dem ZMF-Start. Im Kreis: ZMF-Gründer Alex Heisler, Pressesprecherin Brigitte Schömmel und Geschäftsführer Marc Oßwald. Fotos: Arne Bicker

(Von Arne Bicker) – Es hat schon etwas von „Und täglich das Murmeltier“, wenn die Freiburger Kulturjournalisten am Tag vor dem Start des Zelt-Musik-Festivals beim Mundenhof zwischen Gabelstaplern und Kabelverlegern hindurch zur Eröffnungspressekonferenz taumeln – bei 30 Grad im Schatten ist eine andere Form der Fortbewegung um 13 Uhr mittags schlicht nicht möglich.

Der Blick schweift dabei neugierig von links nach rechts: Was gibt es Neues in diesem Jahr (mehr Werbeplakate, eine umgestaltete VIP-Lounge, fließende Kanalisation unter den Toilettenwagen), was kostet die von Jahr zu Jahr teurer werdende Schale gebackener Champignons mit Knoblauchsoße (noch nicht erkennbar, der Stand wird gerade erst aufgebaut), und welche Konzerte sind wohl schon ausverkauft?

Das wusste ZMF-Geschäftsführer Marc Oßwald zu berichten: Die Karten für die großen Zirkuszeltkonzerte mit Andreas Bourani, Revolverheld, dem Buena Vista Social Club, Hubert von Goisern, Dieter Thomas Kuhn, Joan Baez und Rea Garvey sind vergriffen; im kleineren Spiegelzelt, direkt beim Platzzugang links gelegen, gibt es für die Freiburger Puppenbühne, Luke Mockridge, Les Yeux d’la Tête, die kleine Tierschau und AnnenMayKantereit keine Karten mehr. Insgesamt 38.000 Tickets gingen im Vorverkauf weg.

Was bleibt, sind die 26 weiteren, ticketpflichtigen Abendkonzerte, unter anderem mit Meldody Gardot, Clueso, Lindsey Stirling und Juanes, sowie die 46 grundsätzlich kostenlosen Konzerte des sogenannten “Actionprogramms“, das vor allem regionale Bands und auch Gäste aus Frankreich (La Petite Rouge, Antoine Villoutreix) aufbietet. Apropos Frankreich: Befragt nach seinem diesjährigen Geheimtipp, meinte ZMF-Chef Oßwald: „Les Yeux d’la Tête würde ich empfehlen; aber klar ist es blöd, einen Tipp abzugeben für ein Konzert, dass schon ausverkauft ist. Was ich sagen will, ist, es hätte sich gelohnt dafür Karten zu kaufen, als es noch welche gab.“ So viele Konjunktive plus die Hitze – das kann einen schaffen.

Und tja, die Flüchtigkeit der Spielstätten, da fehlt nur noch eine Modelleisenbahn, die um diese kleine Zeltstatt zuckelt. Doch gerade das macht ja auch den Charme des ZMF aus: Keine großen Hallen, sondern in jeder Hinsicht aufgeheizte Zelte, aus denen die stoffgefilterten und daher meist basslastigen Töne herauströpfeln in die Ohren jener, die ohne Eintrittskarte am Hang ein paar Klänge weglauschen, während sie erfindungsreich am Ordnungsdienst vorbeigeschmuggelte Getränke aus dem Windelrucksack oder zugeknoteten Jackenärmel sürpfeln.

Dieses Wettrennen mit den Funkgeräteträgern in den roten T-Shirts gehört ebenso zum ZMF wie die Verspätung des Festival-Gründers Alex Heisler beim Eröffnungsgespräch. „Du versuchst immer mich auszutricksen, indem du pünktlich anfängst“, schrieb dieser nonchalant seiner Pressesprecherin Brigitte Schömmel ins Gebetbuch, um dann unter dem wolkenlosen Junihimmel weiter zu philosophieren: „Die Langeweile geht verloren. Gerade die Jüngeren zücken allerorts sofort ihr Handy und drücken darauf herum. Mein Tipp lautet: Geht doch einfach mal so über den Platz und genießt das.“ Dieser Geheimtipp, immerhin, ist noch nicht ausverkauft und allemal befolgenswert.

Gleiches gilt für den am gleichen Tag veröffentlichten Ratschlag des Freiburger Forstamtes, keine Zigaretten im Wald fortzuwerfen, da der Deutsche Wetterdienst für die kommenden Tage in Freiburg die vierte von fünf Waldbrand-Gefahrenstufen voraussagt. Die Zeltbesucher beim ZMF erwartet bei maximal angekündigten 38 Grad im Schatten in der Auftaktwoche fast schon ein Saunagang. Kostenloses Wasser gibt es, nicht als Aufguss, sondern zum Trinken, aber nur für die vordersten Konzertbesucher nahe der Zirkuszeltbühne, stellte Brigitte Schömmel klar. ZMF-Technikchef Dieter Pfaff verwies darauf, dass es leider noch keine Solarklimaanlagen gibt und daher allenfalls „die wichtigsten Künstlergardaroben“ elektrisch gekühlt würden.

Alex Heisler, temperaturunabhängiger Kulturmensch durch und durch, verwies derweil auf die traditionelle “Stadtaktion” am Samstag, 11. Juli, dem Tag vor der großen ZMF-Gala: Mit zwei Lastwagen voller Livemusiker will Heisler traditionell die Freiburger Innenstadt befallen/heimsuchen/beglücken, um den 33. Kult im Staub zu bewerben. Mit dabei sein werden von 12 bis 18.30 Uhr die Guggenmusik Heitersheim, die Wentzinger Band sowie internationale Toppmusiker wie Perry Robinson, Tino Gonzales, Gerry Achee, Brenda Boykin, Enrique Ugarte und der neue ZMF-Preisträger Jan Mustafa aus Syrien.

Vielleicht ist ja das der wahre ZMF-Geheimtipp für alle Musikfreunde? Im Rahmen der Stadtaktion wird von 15 Uhr bis 15.30 Uhr auf der Münsterbühne des Wissenschaftsmarktes der Uni Freiburg auch die deutsch-rumänische Band „The Nightlosers“ ihren “tanzsilvanischen Blues” (Heisler) aus dem Banat präsentieren. Nach der ZMF-Gala am Sonntag, 12. Juli, treten die Nightlosers erneut auf, inoffiziell, dann im neuerdings vom Freiburger Waldsee betriebenen und frei zugänglichen ZMF-Festivalrestaurant. Und mit Blick auf den Bambini-Lauf für Kinder im Rahmen des ZMF lies der gerade 66 Jahre alt gewordene Heisler noch einen Wunsch für das kommende, das 34. Festival vom Stapel: „Ich wünsche mir für nächstes Jahr auch einen Opa-Lauf, mit E-Bikes, und vielleicht ein bissel Rotkreuz dabei.“

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  1. Und noch ein ZMF-Geheimtipp | Eurojournalist(e)

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