Nicht viele Gründe zum Feiern…

Nach der ersten Freude darüber, dass Frankreich nicht in die Hände der Rechtsextremen gefallen ist, zeigt die Analyse dieser Wahl, dass es nicht viele Gründe zum Feiern gibt.

Die Parlamentswahlen im Juni kündigen sich sehr kompliziert an. Foto: Eurojournalist(e) / CC-BY 2.0

(KL) – Seit gestern Abend, kurz nach 20 Uhr, klopft sich Frankreich selbst dafür auf die Schulter, dass es die Machtübernahme durch die rechtsextreme Marine Le Pen verhindert hat. „Ein Sieg für die Demokratie!“, hört man heute, oder auch „Ein Erfolg für Europa!“. Nur, da denken sich viele Kommentatoren die Situation schöner als sie ist. Denn die Politik- und Demokratiekrise in Frankreich ist alles andere als vorbei. Im Gegenteil, jetzt geht sie erst richtig los.

Dass sich Emmanuel Macron mit 58,55 % der Stimmen gegen Marine Le Pen durchsetzen konnte, ist wenig verwunderlich. Das Konzept „Wählt mich, wenn ihr keine Rechtsextremen an der Regierung haben wollt“ funktioniert seit 2002, als mit Marines Vater, Jean-Marie Le Pen, erstmals ein Le Pen in der Stichwahl um das höchste französische Staatsamt gegen Jacques Chirac stand. Seitdem holt das rechtsextreme „Rassemblement National“ zwar immer wieder gute Ergebnisse bei Wahlen, doch bis hin zur Macht reicht es dann eben doch nicht. Doch die Niederlage von Marine Le Pen ist nicht etwa der Erfolg von Emmanuel Macron, sondern die Weigerung der Franzosen, Marine Le Pen an der Spitze des Staats zu sehen. Das weiß sogar der wiedergewählte Präsident, der am Wahlabend deutlich sagte, dass er sich darüber im Klaren sei, dass er seine Wiederwahl auch denjenigen verdankt, die nicht für ihn, sondern gegen Marine Le Pen gestimmt haben und dass er deshalb das Votum dieser Menschen als „Auftrag“ in die neue Amtszeit nehmen will. Vielleicht reicht dieser Anfall von Respekt ja bis hin zu den Parlamentswahlen im Juni, bei denen sich Frankreich politisch weiter verändern wird.

In der Analyse dieser Wahl ist weniger die Wiederwahl Macrons interessant, weil man mit dieser rechnen konnte. Interessant sind vielmehr die 41,5 % rechtsextremer Wählerinnen und Wähler, die nicht etwa „Protestwähler“ sind, sondern den rechtsextremen, Europa- und ausländerfeindlichen Positionen einer Marine Le Pen, aber auch eines Eric Zemmour anhängen. Für dieses Abdriften in den Rechtsextremismus gibt es zahlreiche Gründe. Die zweite Zahl, die man genauer anschauen muss, sind die mehr als 28 % Nichtwähler, eine Zahl, die es bei Präsidentschaftswahlen bisher noch nicht in einer Stichwahl gab. Zusammengerechnet zeigen diese Zahlen, dass die Mehrheit der Franzosen nicht hinter dem neuen Präsidenten steht, was den nun anstehenden Parlamentswahlen einen ganz besonderen Touch gibt. Denn wenn die Franzosen gerade noch eine rechtsextreme Regierung verhindern konnten, kündigen sich die Parlamentswahlen als „Kampf der Extreme“ an, bei denen das bürgerliche Lager, das bereits bei der Präsidentschaftswahl eine herbe Niederlage einstecken musste, zu implodieren droht.

Bei den Parlamentswahlen werden sich nicht etwa, wie seit 40 Jahren, Konservative und Sozialisten gegenüberstehen, sondern ein „Nationaler Block“, in dem Marine Le Pen versuchen wird alles einzusammeln, was sich rechts der Konservativen befindet (und das ist eine ganze Menge), während ein „Linker Block“ unter Führung des „France-Insoumise“-Chefs Jean-Luc Mélenchon (der im ersten Wahlgang der Präsidentschaftswahl mit 22,0 % der Stimmen nur ganz knapp hinter Marine Le Pen lag) genau das gleiche im linken Spektrum versuchen wird. Bei diesem Duell der „Blöcke“, sprich Wahlbündnisse, riskieren die traditionellen Parteien, aber auch die politische Bewegung des Präsidenten „La République en Marche“, zu implodieren.

Emmanuel Macron wird nicht viel Zeit haben, die Franzosen davon zu überzeugen, dass er sich nun wirklich ändern will. Nach den letzten fünf Jahren der „Macronie“ verspüren viele Franzosen das Bedürfnis, dem Präsidenten die Mehrheit im Parlament zu verweigern, als eine Art Sicherheitsriegel gegen die neufeudale Art der Politikführung von Emmanuel Macron.

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