Europarat: Eine Ohrfeige für Ohrfeigen in Frankreich

Der Europarat tadelt Frankreich, weil das Land immer noch Ohrfeigen und Klapse auf den Hintern toleriert. Im großen Rest Europas wird dies mittlerweile als „Gewalt gegen Kinder“ bestraft. Und zwar völlig zu Recht.

Gewalt gegen Kinder ist die übelste Form von Gewalt und sollte überall verboten sein. Auch in Frankreich. Foto: Concha Garcia Hernandéz / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 3.0

(KL) – Es gibt Dinge in unserem Nachbarland Frankreich, die uns immer wieder überraschen. Und das, obwohl die Deutschen keinen Nachbarn inniger lieben als die Franzosen. Immerhin, seit 1981 ist in Frankreich die Todesstrafe abgeschafft (wobei man fairerweise sagen muss, dass diese schon vorher eine ganze Weile nicht mehr vollstreckt worden war) und jetzt klopft der Europarat den Franzosen liebevoll auf die Finger – damit diese dies nicht mehr bei ihren Kindern tun.

Die Ohrfeige („gifle“) und der Klaps auf den Hintern („fessée“) gehören leider immer noch zu den in den französischen Familien verankerten häuslichen Strafen. Doch das widerspricht der Europäischen Sozialcharta, die in Artikel 17 klar sagt, dass „Kinder und Jugendliche vor Vernachlässigung, Gewalt und Ausbeutung zu schützen sind“. Wie so oft waren es die Schweden, die als erstes die körperliche Züchtigung von Kindern verboten. Und unter Strafe stellten. Da kommen die Franzosen allerdings günstiger weg, denn die Verurteilung durch den Europarat zieht zwar keine Strafe nach sich, öffnet aber den Weg vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (der praktischerweise direkt in Straßburg um die Ecke liegt…) – hier werden gerade die ersten Klagen von Vereinen aufgenommen, die das Verbot der Prügelstrafe im französischen Gesetz verankern wollen.

Dabei ist im Grunde jedem, der sich mit dem Thema beschäftigt, schon lange klar, dass diese Art der Bestrafung oder Disziplinierung nur negative Folgen hat. Zum einen gewöhnt die Prügelstrafe Kinder vom frühesten Alter an an Gewalt im persönlichen Umfeld, was dazu führt, dass die Hemmschwelle zur Ausübung von Gewalt bei geschlagenen Kindern und Jugendlichen rapide sinkt – zum anderen führt die körperliche Züchtigung zu psychologischen Beeinträchtigungen, da sie das Urvertrauen von Kindern in die Erwachsenenwelt erschüttert. Abgesehen davon, dass das Verprügeln von Kindern einfach nur abzulehnen ist.

Diejenigen in Frankreich, die meinen, dass ab und zu eine Ohrfeige oder der berühmte Klaps auf den Hintern eigentlich OK seien, übersehen dabei mehrere Dinge. Niemand kann eine Grenze ziehen, was ein liebevoller Klaps ist und was ein strafender Schlag – hier ist es unmöglich, eine klare Linie zu ziehen. Und, siehe oben, was ist mit der psychologischen Beeinträchtigung der Kinder? Mit dem Gefühl der Ohnmacht des geschlagenen Kinds?

Gewalt, das ist schon lange klar; erzeugt immer Gegengewalt. Früher oder später. In einer Zeit, in der wir diskutieren (müssen), wie wir eine Gesellschaft ohne Extremismus, Radikalisierung und Gewalt hinbekommen, ist eine gesellschaftliche Veränderung in diesem Bereich mehr als wünschenswert. Genau das erwartet jetzt auch der Europarat von Frankreich – eine entsprechende Änderung des Gesetzes, also ein Verbot der körperlichen Züchtigung. Sollte sich Frankreich dazu nicht durchringen können, wird es vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte nicht mehr so glimpflich für unser Nachbarland abgehen – dann könnten auch Strafen ausgesprochen werden.

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