Parteitag: Die Grünen verlieren sich selbst aus den Augen…

Der Parteitag der Grünen in Hamburg sollte Dynamik und Einigkeit demonstrieren. Heraus kam ein noch diffuseres Bild der Grünen als vor dem Parteitag.

Winfried Kretschmann, der schwärzeste Grüne oder der grünste Schwarze? Foto: Eurojournalist(e)

(KL) – Wenn man sich heute nach dem Parteitag der Grünen in Hamburg fragt, wofür die ehemalige ökologische Protestpartei eigentlich steht, muss erst einmal fragen, welche Grünen. Denn bis hinein in den Parteivorstand stehen die Grünen für ungefähr alles, aber gleichzeitig auch für das jeweilige Gegenteil. Besonders attraktiv ist das für die Wählerinnen und Wähler nicht.

So gab es vor dem Parteitag jede Menge Kritik am wohl schwärzesten aller Grünen, dem baden-württembergischen Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann, dessen Stimme im Bundesrat der schwarz-roten Regierung ermöglichte, Serbien, Bosnien-Herzegowina und Mazedonien als “sichere Drittländer” zu definieren, was Asylanträge von Menschen aus diesen Ländern praktisch aussichtslos macht. Im Gegenzug handelte Kretschmann einige Erleichterungen in den Asylverfahren generell aus. Vor dem Parteitag begründete er sein Abstimmungsverhalten mit dem Satz “Wenn man von anderen Kompromisse erwartet, muss man selber auch bereit sein, Kompromisse zu machen.“ Das ist zwar eine grüne Realo-Position in Reinkultur, allerdings wäre er in den Gründungstagen der Grünen für so einen Satz vermutlich aus der Partei ausgeschlossen worden.

Genauso uneins sind die Grünen in der Frage der Waffenlieferungen an kurdische Kämpfer, die gegen den IS kämpfen. Cem Özdemir hatte ein klares “Ja” zu solchen Waffenlieferungen gefordert, das ihm der Parteitag allerdings versagte. Mehr als ein mattes “wir sind gegen solche Waffenlieferungen, aber alle grünen Abgeordneten dürfen nach ihrem Gewissen entscheiden.“ Was soviel bedeutet wie “Wir haben überhaupt keine Position.“ Das ist für eine Partei, die in einigen Ländern Regierungsverantwortung trägt und diese auch gerne wieder im Bund hätte, dann doch etwas zu wenig. Was mit positions- und profillosen Parteien heutzutage passiert, das weiß man.

Angesichts der Orientierungslosigkeit der Partei war man dankbar, dass Anton Hofreiter wenigstens die “Agrarwende” forderte. Dies ist ein konsensfähiges Thema, denn wer ist schon für Pestizide, grausame Tierhaltung und die systematische Zerstörung natürlicher Anbauflächen? Da braucht es noch nicht einmal ein klares Konzept, man freut sich bereits darüber, vermeintlich ein neues Thema besetzt zu haben. Noch dazu ein Thema, das ökologisch klingt. Prima!

Kaum zu glauben, dass die Grünen ihre Wurzeln mal in verschiedenen, außerparlamentarischen Bewegungen hatten. Doch die Zeiten der grünen Gründungsväter und -Mütter ist vorbei, die Grünen sind in der Mitte des politischen Spektrums angekommen, dort, wo man höchstens Mehrheiten beschaffen oder verhindern kann, inhaltlich aber eigentlich nichts mehr bewegt. Die Partei ist eine Art bunte FDP geworden, in der sich jeder und niemand mehr wiederfindet. Der Spagat zwischen einem Winfried Kretschmann und einer Ska Keller ist einfach nicht mehr machbar, man kann kaum glauben, dass diese beiden Politiker tatsächlich der gleichen Partei angehören.

Die nächsten Zeiten werden für die Grünen sehr schwer werden. Wenn die Partei nicht schnell mit echten Konzepten und Positionen aufwartet, dann könnte ihr mittelfristig das gleiche Schicksal wie anderen profillosen Mehrheitsbeschaffern drohen. Eigentlich schade.

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