Konflikte – ein heißer Herbst wartet auf Europa

Europa steht vor einem schwierigen Herbst - Konflikte auf allen Ebenen und in allen Regionen, wirtschaftliche Probleme und die Frage nach der Orientierung Europas.

Wenn Europa ein zweites Mal entführt wird, kommt sie nicht wieder. Foto: Valentin A. Serow (1910) / Nationalgalerie Berlin / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 3.0

(KL) – Frage und Begriff sind mittlerweile schon ziemlich ausgeleiert. „Quo vadis, Europa?“, das wollen die Europäer gerne von ihren Verantwortlichen wissen. Doch auf diese einfache Frage gibt es keine einfache Antwort, denn die Brandherde, denen sich Europa genau so wie der Rest der Welt stellen muss, sind einfach zu zahlreich. Und wenig deutet darauf hin, dass unsere politischen Eliten im Sommerurlaub zündende Ideen hatten.

Weltpolitisch muss Europa schnell, sehr schnell eine gemeinsame Linie finden. Irak, Gaza, Syrien, Libyen, Ukraine – wo man hinschaut, stehen Entscheidungen an, müssen Positionen bezogen werden. Doch genau daran krankt Europa – an der gemeinsamen Entscheidungsfindung. Zumal auch gemeinsame Werkzeuge fehlen, um einen einmal gefassten politischen Beschluss Auch durchzusetzen. Aussitzen wird man die aktuellen Probleme nicht können, denn in allen genannten Regionen tobt der Krieg und werden täglich Menschen gequält und getötet. Europa muss nun schleunigst lernen, gemeinsam zu sprechen und zu handeln, will die EU nicht in der politischen Bedeutungslosigkeit versinken. Was nun dringend benötigt wird, sind nicht etwa bi- oder trilaterale Initiativen oder Appelle, sondern eine EU-weite Konzertierung und das Beziehen einer gemeinsamen Position.

Wirtschaftlich stehen wir ebenfalls vor einem „heißen Herbst“. Aus immer noch nicht klaren Gründen wollen die europäischen Spitzenpolitiker unbedingt das geheim verhandelte Freihandelsabkommen TTIP mit den USA unter Dach und Fach bringen, obwohl dieses Abkommen, mit dem vagen Versprechen, dass dadurch ein wenig Wachstum in Europa entstehen könnte, die europäische Wirtschaft grundlos unter amerikanische Kontrolle stellt. Die Europäerinnen und Europäer werden dies allerdings nicht einfach so hinnehmen und auch die europäische Wirtschaftspolitik wird im Rahmen dieser Verhandlungen auf eine harte Probe gestellt.

Ebenso müssen die EU-Mitgliedsstaaten im Herbst „die Hose herunter lassen“ und den europäischen Partnern offen legen, wie es mit der Einhaltung der Stabilitätskriterien aussieht. Und das dürfte überhaupt nicht gut aussehen. Was Europa erneut vor die Frage stellt, wo man eigentlich hin möchte. Vereinigte Staaten von Europa, für ein Europa, das nach innen und außen stark und geschlossen auftreten und agieren kann? Ein Europa, das sich selbst darauf beschränkt, ein Binnenmarkt zu sein? Am Ende gar ein Europa der Bürger? Auf diese Fragen müssen nun Antworten gegeben werden.

Und irgendwann kommen wir auch nicht mehr um die Frage nach einer echten europäischen Außen- und Verteidigungspolitik herum. Das Beispiel Irak zeigt, wie uneins die Europäer im Grunde sind. Selbst die großen EU-Staaten bekommen keine gemeinsame Position auf die Reihe, die einen schicken Waffen, die anderen nicht und nirgendwo ist eine gemeinsame, europäische Linie zu erkennen.

So hatten sich die Gründungsväter das allerdings nicht vorgestellt. Sie wollten eine Entwicklung, die eindeutig in Richtung der Vereinigten Staaten von Europa gehen sollte, was im deutlichen Gegensatz zu den aktuellen, nationalistischen Strömungen steht, denen Europa gerade ausgesetzt ist.

Natürlich gibt es im Moment schlimme Krisen. Bewaffnete Konflikte. Wirtschaftskrise. Finanzmarktkrise. Doch die schlimmste von allen ist die europäische Identitätskrise. Denn erst wenn diese überwunden ist, können die anderen Fragen wirklich gelöst werden. Aber ob Europa es in diesem Herbst schafft, sich europäischer aufzustellen als bisher?

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