Scheitert Frankreich an sich selbst?

Es gibt Königreiche, in denen sich die Monarchen weniger feudal verhalten als der französische Präsident Emmanuel Macron. Allerdings sollte man mit dem „Bashing“ aufhören – der Mann kann nichts dafür.

Prunk und Pomp prägen die Politik in Frankreich. Aber das ist irgendwie ausgehendes Mittelalter... Foto: ScS EJ

(KL) – Alle fünf Jahre wählt Frankreich einen Präsidenten. Könnte man meinen, denn immerhin heißen auch westlich des Rheins diese Wahlen „Präsidentschaftswahlen“. Doch Frankreich wählt keinen Präsidenten, sondern einen Regenten. Einen Babo. Einen Kaiser. Einen Menschen, der in der Lage sein soll, jedes einzelne Problem des Landes durch Beschlüsse und guten Willen zu lösen. Der französische Präsident wird als eine Art omnipotente, eierlegende Wollmilchsau betrachtet, was zu Erwartungshaltungen führt, die natürlich kein Präsident erfüllen kann. Dass Emmanuel Macron es trotzdem versucht, mag zur Ehre gereichen, nach außen wirkt dieser feudale Regierungsstil anachronistisch bis peinlich.

Ein gutes Beispiel hierfür war das Staatsbegräbnis für den Sänger Charles Aznavour am letzten Freitag. Der Star der Veranstaltung war nicht etwa Monsieur Charles Aznavour, sondern Emmanuel Macron und das Ballett der Pariser Eitelkeiten. Ein sichtlich wohlgelaunter Macron schritt seine Hofschranzen ab, zwinkerte dem einen oder anderen Komplizen zu, machte Witze und das selbst gegenüber der trauernden Familie. Seine dann folgende Rede war ein seltsamer Moment. Mit geradezu verklärtem Blick ließ er seine ansonsten eher geringgeschätzten Landsleute an einem seiner Momente der Entrückung teilhaben, in denen ihn die göttliche Erleuchtung trifft. Doch um ehrlich zu sein, die Bilder aus Paris erinnerten an das 19. und frühe 20. Jahrhundert.

Genau an dieser Stelle müssten Reformen in Frankreich ansetzen. Die V. Republik überfordert per Definition ihre Amtsinhaber – weder ein Nicolas Sarkozy, noch ein François Hollande, noch ein Emmanuel Macron können in der Lage sein, die auf sie projizierten Allmachtsphantasien der Franzosen zu erfüllen. Wäre der französische Präsident der „Primus inter Pares“ seiner Regierung, sähe es anders aus. Doch genau das ist ein französischer Präsident nicht, er ist ein Herrscher. Und das ist, mit Verlaub, ausgehendes Mittelalter.

Die Französische Republik ist stark und mächtig. Und sie braucht an ihrer Spitze keinen Regenten, sondern einen Manager. Und zwar möglichst einen, der seinem Wahlvolk wenigstens ein Minimum an Respekt entgegen bringt. Dass Emmanuel Macron vorsorglich am Wochenende erklärte, dass „alle, die eine VI. Republik fordern, Frankreich nicht lieben“, ist natürlich ausgemachter Blödsinn. Frankreich braucht dringend eine VI. Republik, in der die Zuständigkeiten und die Funktionsweise eines unglaublich aufgeblähten Apparats neu definiert werden. Mit etwas weniger „Pomp and Circumstances“, dafür aber mit ein wenig mehr Effizienz. Doch solche Reformen dürften erst auf der Tagesordnung stehen, wenn ganz Frankreich gegen Macron auf die Straße geht, was vermutlich nicht mehr allzu lange dauern wird. Denn nach wie vor sitzen die Franzosen gebannt vor dem Fernseher, wenn die Republik stolz ihre Insignien präsentiert und seufzen hingerissen: „Mais bon, ils sont quand même beaux…“. Aber so „beaux“ ist das alles ehrlich gesagt nicht…

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