Die einen nach links, die anderen nach rechts…

Während Deutschland deutlich nach links rückt, rutscht Frankreich immer tiefer in eine autoritär-nationalistische Schiene. Aber warum ist das so?

Während es in Deutschland nach links geht, biegt Frankreich nach rechts ab... Foto: Pirosko / Wikimedia Commons / PD

(KL) – Deutschland rückt ein Stück nach links und die lange totgesagte SPD erhebt sich aus der Asche. Die Jahre der politischen Bedeutungslosigkeit haben sich gelohnt, die SPD hat sich eine Frischzellenkur verpasst, das in die Jahre gekommene Spitzenpersonal ausgetauscht und den Weg in die Erfolgsspur wiedergefunden. In Frankreich passiert gerade das genaue Gegenteil – die autoritär-nationalen Kandidaten und Kandidatinnen haben Hochkonjunktur. Warum sind die politischen Entwicklungen in beiden Nachbarländern so unterschiedlich?

Frankreich zahlt heute den Preis für das schlechte Management der sozialen Krisen seit 2018. Denn diese Krisen, mit Gelbwesten, Rentenreform und dann der Pandemie hatten und haben in Frankreich einen gemeinsamen Nenner – Präsident Macron sitzt alles aus, wie einstmals Helmut Kohl. Doch dieses Aussitzen führt in Frankreich nun dazu, dass sich diie Bevölkerung in unsicheren Zeiten „eine starke Hand“ wünscht und diejenigen, die sich mit markigen Sprüchen hierfür empfehlen, sind die autoritär-nationalistischen Kandidaten, deren Slogans fast zwei Drittel der Bevölkerung ansprechen.

In Deutschland wünscht man sich hingegen gerade eine ruhigere Art, die aktuellen Krisen zu bewältigen. Kein hysterisches Gekreische, keine ultranationalistischen Sprüche, keine weitere Spaltung der Gesellschaft. In dieser Stimmungslage hat die SPD ihr Comeback geschafft, nachdem sie dramatisch abgestürzt war. Der Erfolg gibt ihr Recht – die SPD stellt heute den Bundeskanzler und hat die erste Landtagswahl nach der Bundestagswahl mit absoluter Mehrheit gewonnen.

Ganz anders in Frankreich, wo die Kandidatinnen und Kandidaten aus dem autoritär-nationalistischen Spektrum ein Klima der Angst geschaffen haben, in dem sie sich als „ordnende Kraft“ empfehlen. Soziale Themen rücken in den Hintergrund, also diejenigen Themen, in denen die Linke einstmals stark war. Heute geht es hingegen um „Sicherheit“, „Kaufkraft“ und die „Angst vor Ausländern“. Doch die Geister, die von der französischen Politik gerufen wurden, wird man nun nicht mehr los.

Auch die Grünen rutschen in dieser Situation aus dem Kreis der erfolgreichen Parteien heraus. Hatten die Grünen noch vor anderthalb Jahren bei den Kommunal- und Departementswahlen abgeräumt und die OB-Sessel in 6 der 10 größten Städte abgeräumt, ist dieses Zwischenhoch längst verpufft. Der grüne Präsidentschaftskandidat Yannick Jadot dümpelt in den Umfragen bei 6 % und sein Hauptgegner bei der am 10. April beginnenden Wahl sind nicht etwa die anderen Kandidaten, sondern die 5%-Hürde, denn die müssen die Kandidaten überspringen, um ihre Wahlkampfkosten erstattet zu bekommen.

Themen wie Klimawandel, das soziale Gefälle, die Reform des Gesundheits- uund Pflegesystems haben momentan in Frankreich keine Konjunktur. Ähnlich wie in Osteuropa steht momentan der Nationalismus im Vordergrund, dieses Trump’sche „Make XXX great again“. Diese Perspektive hat bereits die britische Insel mit ihrem Brexit ins Unglück gestürzt und auch der Ukraine-Krieg ist in seiner Eskalation die Auseinandersetzung zwischen dem russischen und dem ukrainischen Nationalismus. Und Nationalismus ist momentan das Thema, mit dem man am meisten Menschen mobilisieren kann.

Und so passiert, was gerade passiert. In Deutschland reformiert sich die Politik, hat das Ende der Ära Merkel/Schäuble eingeläutet und der weitgehende Personalaustausch in den Parteien bringt frischen Wind in die Politiklandschaft. In Frankreich klammert sich das politische Establishment daran fest, was es seit 40 Jahren kennt und praktiziert – und das ist alles andere als zukunftsweisend. Es steht zu befürchten, dass sich dieser autoritär-nationalistische Trend nach den Präsidentschaftswahlen weiter verstärkt und bevor sich Frankreich in eine Art „1984“ von George Orwell verwandelt, haben die Franzosen noch eine einzige Chance, nämlich bei den direkt nach den Präsidentschaftswahlen stattfindenden Parlamentswahlen. Hier haben die Franzosen die Möglichkeit, dem neuen Präsidenten oder der neuen Präsidentin ein parlamentarisches Gegengewicht entgegen zu stellen, so dass der neue Präsident mit einem Regierungschef aus einem anderen politischen Lager zusammenarbeiten muss. Aber so weit ist es noch nicht. Erst muss Frankreich an die Urnen, um das höchste Staatsamt zu besetzen. Mit Begeisterung wird angesichts der Kandidaten und Kandidatinnen wohl niemand in Frankreich wählen gehen…

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