„Seht zu, wie ihr klarkommt…“

Italiens Regierung streicht für Hunderttausende bedürftiger Menschen das „Bürgergeld“, also die Sozialhilfe. Mit einer klaren Botschaft - „geht gefälligst arbeiten!“. Aber wo?

Melonis "Sozialpolitik" ist ein Anschlag auf den sozialen Frieden, besonders im Süden Italiens. Foto: Italian Government / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 3.0it

(KL) – Die Nachricht erreichte Hunderttausende Haushalte am letzten Freitag per SMS. In dieser teilte die Regierung den Betroffenen mit, dass es ab sofort kein „Bürgergeld“ mehr gibt. Nicht nur, dass diese Mitteilung per SMS kam, dazu erreichte sie die Empfänger unmittelbar vor dem Auszahlungstermin dieser Sozialhilfe. Von einem Tag auf den anderen stehen Abertausende Italiener ohne irgendwelche Ressourcen da. Und die Stigmatisierung von Arbeitslosen erreicht in Italien einen neuen Höhepunkt.

Ganz überraschend kommt dieser „soziale Kahlschlag“ allerdings nicht. Die rechtsextreme Regierungschefin Georgia Meloni hatte das 2019 von Giuseppe Conte eingeführte Bürgergeld bereits öfters kritisiert und nun reduziert sie den Kreis der Empfänger dieser Sozialhilfe drastisch. Ab sofort erhalten nur noch Haushalte, in denen minderjährige Kinder, ältere Menschen über 65 oder Behinderte leben, diese Unterstützung, alle anderen schauen in die Röhre. In wenigen Wochen soll der Kreis der Bezieher weiter eingeschränkt werden. Steuert Italien in eine soziale Katastrophe, wie die Opposition sagt?

Das Argument Melonis kennt man auch aus anderen Ländern. Doch die Behauptung, dass der Bezug solcher Sozialhilfen den Betroffenen die Motivation nimmt, sich eine Arbeit zu suchen, ist besonders in Italien fadenscheinig. Denn nach wie vor gibt es in Italien ein enormes Gefälle zwischen dem industriellen (und damit reicheren) Norden und dem Süden. So leben denn auch die meisten der bisherigen Empfänger des „Bürgergelds“ im Süden des Landes, wo diese Maßnahme für sozialen Sprengstoff sorgt.

Besonders irritierend ist, dass den Betroffenen die schlechte Nachricht per SMS und unmittelbar vor dem nächsten Auszahlungstermin mitgeteilt wurde, so dass die Betroffenen nicht einmal die Möglichkeit hatten, sich irgendwie auf die geänderte Situation einzustellen. Und dies betrifft eben besonders den Süden Italiens, wo man die mit Abstand höchsten Arbeitslosenquoten bei Frauen und Jugendlichen verzeichnet.

Die ersten Proteste zeigen, dass die Italiener nicht bereit sind, diese Streichung von Sozialhilfe zu akzeptieren. Erste Demonstrationen fanden bereits statt und viele der Betroffenen sind verzweifelt.

Doch was beabsichtigt Meloni mit dieser harten Maßnahme? Die Nachricht, die sie ihren Landsleuten mitgibt, erinnert an den französischen Präsidenten Emmanuel Macron, der vor einigen Jahren behauptete, dass es „reiche, über die Straße zu gehen, um einen Job zu finden“. Während das noch in den großen Industriezentren des Nordens wie Mailand oder Turin durchgehen mag, so ist die Situation im Süden eine vollständig andere.

Aber was können die Betroffenen nun tun? Sie stehen von einem Tag auf den anderen ohne Ressourcen da – soll das eine Aufforderung zur Kriminalität sein? Will Meloni die ohnehin im Süden omnipräsente Mafia stärken, die vermutlich die Gelegenheit nutzen wird, um neue Kräfte zu verpflichten?

Die Stigmatisierung von Arbeitslosen und sozial schwachen Menschen ist unerträglich, unterstellt sie doch, dass arme Menschen selbst an ihrem Schicksal die Schuld tragen. Zu einem Zeitpunkt, zu dem auch Italien Milliarden in den Krieg in der Ukraine pumpt, ist diese Geringschätzung der sozial Schwächsten eine brutale Maßnahme, die das Land in eine Phase intensiver Proteste stürzen wird. Und Meloni muss sehr aufpassen, dass es ihr nicht ähnlich ergeht wie ihrem französischen Kollegen Macron, der durch seine Politik jeglichen Rückhalt in der Bevölkerung verloren hat. Genau das könnte Georgia Meloni auch passieren.

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