Steuern wir auf das Ende des europäischen Gedankens zu?

Die CDU und die AfD in Sachsen fordern die Wiedereinführung von Grenzkontrollen. Was „Schengen“ und die Personenfreizügigkeit in Europa faktisch beenden würde.

Eigentlich hatten wir gedacht, dass wir diesen Mist schon längst hinter uns hatten... Foto: Bundesarchiv / B-145 Bild F-000250-0050 / Wikimedia Commons / CC-BY-SA

(KL) – Damit musste man angesichts der Verhärtung der Positionen und des Drucks der Straße rechnen – die CDU und die AfD wollen wieder Grenzkontrollen einführen, damit Flüchtlinge nicht mehr nach Deutschland einreisen können. Zwar wundert es nicht, dass diese Forderung ausgerechnet in der Hochburg der Ausländerfeinde und Neonazis erhoben wird, doch ist es allerhöchste Zeit, sich diesem dumpfen Druck entgegen zu stellen, statt in der Sorge um ein paar Wählerstimmen vom rechtsextremen Rand gleich die ganze europäische Idee über Bord zu werfen.

Statt Lösungen nur Repression, auf diese Formel könnte man die populistische Forderung von CDU und AfD bringen. Nachdem die AfD nach dem Putsch gegen Parteigründer Bernd Lucke einen dramatischen Rechtsruck hingelegt und schon laut nach der Wiedereinführung von Grenzkontrollen gerufen hatte, stolpert jetzt die sächsische CDU einfach hinterher. Dabei versucht sich der innenpolitische Sprecher der CDU in Sachsen, Christian Hartmann, ziemlich erfolglos in der Quadratur des Kreises. So verknüpfte er die Forderung nach der Wiederbesetzung der alten Grenzposten mit der abenteuerlichen Aussage, dass es nicht darum ginge, den freien Reiseverkehr in den Schengen-Staaten einzuschränken. Ja, worum geht es denn dann?

Um Schengen außer Kraft zu setzen, will die CDU die EU unter Druck setzen und das soll dann am besten der Bund übernehmen. Das allerdings dürfte in Berlin wenig Begeisterung auslösen – die Kanzlerin hat ohnehin in Europa eine denkbar schlechte Presse und man kann sich kaum vorstellen, dass sie eine solche Forderung in Brüssel und Straßburg irgendwie rechtfertigen kann. Alles, um das Feld in Sachsen nicht kampflos den Glatzen zu überlassen…

Als Stilmittel hat sich die sächsische CDU ein Vorbild an Wolfgang Schäuble genommen. Ebenso, wie Schäuble von einem „zweitweisen“ Ausstieg Griechenlands aus dem Euro schwadroniert hatte, will die sächsische CDU das Schengen-Abkommen auch nur „zweitweise“ außer Kraft setzen. Als ob man von so einem Weg wieder zurück auf die Straße der Vernunft und der Solidarität zurückfinden würde. Dass diese Vorschläge im Grundgesetz verankerte Rechte von Menschen aufheben, die in diesem Fall nicht mehr in Deutschland um Asyl nachsuchen können, scheint die CDU in Sachsen gar nicht zu merken.

Die Grünen in Sachsen haben bisher als einzige klare Kante gezeigt, indem sie den gemeinsamen Vorschlag von CDU und AfD als „Angriff auf die europäische Idee“ bezeichneten und forderten, statt Geld in Grenzkontrollen zu investieren, dieses Geld lieber in mehr Personal in den Verwaltungen zu geben, damit diese Asylanträge schneller bearbeiten können.

Es ist unangenehm zu sehen, wie sich so genannte bürgerliche Parteien dem Druck und den Übergriffen rechtsextremer Schlägerbanden beugen und diesen sogar noch zum Munde reden. Die Abschaffung Europas und des europäischen Gedankens wird keinen Flüchtling davon abhalten, sein Glück in Deutschland zu suchen – die Lösung der Flüchtlingsproblematik kann nicht in dumpfer Repression, sondern nur in der Verbesserung der Lebensbedingungen in den Herkunftsländern der Flüchtlinge liegen. Wer sich dagegen vor dem aggressiven Mob der Straße beugt, leistet dem immer lauter schleichenden Ultranationalismus Vorschub, von dem wir in Deutschland eigentlich wissen sollten, wo er hinführt. „Wehret den Anfängen“ ist leider nicht mehr die passende Parole – denn die Anfänge der nächsten Katastrophe haben wir schon längst hinter uns.

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