Respekt ist ein Fremdwort für Neonazis

Letzte Woche wurde der Luftangriffe auf Dresden im Jahr 1945 gedacht. Wie jedes Jahr tauchten wieder Neonazis in Dresden auf, die Ursache und Wirkung verwechselten. Und die Opfer ein zweites Mal quälen.

"75 Jahre alliierter Bombenterror"... die Vereinnahmung des Dramas von dresden durch Neonazis ist unerträglich. Foto: ScS EJ

(KL) – Das Drama von Dresden begann eigentlich schon im Herbst 1944. Deutschland hatte den II. Weltkrieg längst verloren, doch die wahnsinnige Nazi-Führung zwang die Wehrmacht, sich immer weiter ins Landesinnere zurückzuziehen, um dort eine vermeintliche „Entscheidungschlacht“ zu schlagen. Die Alliierten rückten nur noch langsam und unter hohen Verlusten vor. In dieser Situation entschlossen sich die britische Royal Air Force und die amerikanischen US Army Air Forces, die industrielle und militärische Infrastruktur des Großraums Dresden zu bombardieren. Und natürlich war es auch Zweck dieser Angriffe, den letzten Widerstandswillen der deutschen Bevölkerung zu brechen.

Die schlimmsten Wellen dieser Bombardierung erfolgten zwischen dem 13. und 15. Februar 1945, als unter den Bomben von vier Angriffswellen zwischen 22.700 und 25.000 Menschen im Feuerinferno von Dresden das Leben verloren. Die Historiker streiten heute, ob zu diesem Zeitpunkt ein solches Flächenbombardement noch nötig war, doch ist klar, dass die Zerstörung Dresdens der Roten Armee den Weg nach Berlin erleichterte. Den Alliierten war klar, dass der Krieg erst in Berlin enden würde, weswegen diese Bombardements für die schnellere Beendigung des Kriegs sicher eine Rolle spielte.

Für die Briten war Dresden auch eine Art Rache für Coventry, das Nazi-Deutschland fast dem Erdboden gleichgemacht hatte. Heute, ein Dreivierteljahrhundert später, gehört auch das Erinnern an die Opfer von Dresden zur wichtigen Gedächtnisarbeit, denn die zivilen Opfer des Kriegs, gleich auf welcher Seite, haben ein ehrendes Andenken verdient. Allerdings nicht die Art des Andenkens, das die Neonazis den Opfern von 1945 antun. Die neonazistischen Gedenkmärsche, die zu diesem Zeitpunkt des Jahres in Sachsen stattfinden, sind eine Schande für ganz Deutschland, denn natürlich unterschlagen die Neonazis den kompletten historischen Hintergrund – als ob Großbritannien und die USA 1945 einen Angriffskrieg gegen Deutschland geführt hätten. Dass diese unerträgliche Art der Geschichtsverfälschung weiterhin in Sachsen von der „freien Meinungsäußerung“ gedeckt ist und die Neonazi-Aufmärsche zu diesem Gedenken nicht verboten werden, ist mehr als erstaunlich.

Gewiss, auf der Seite der Gegendemonstranten befinden sich immer mehr Menschen als bei den schwarzgekleideten Neonazis, die in Sachsen derart unverfroren auftreten, dass man sich fragt, warum eigentlich keine Behörde diesem makabren Treiben Einhalt gebietet. Gerade zu dem Zeitpunkt, als die Polizei bundesweit vermutlich ein Neonazi-Terrornetzwerk ausgehoben hat, das kurz davor stand, Anschläge zu verüben, sollte eigentlich die Gefahr, die von Neonazis ausgeht, nicht mehr ignoriert werden können. Dass die „Gedenkmärsche“, die nichts anderes als eine Vereinnahmung der zivilen Opfer von 1945 für die finsteren Absichten der Neonazis sind, nicht als „Volksverhetzung“, sondern als „Gedenkveranstaltung“ durchgehen und die behördlichen Genehmigungen erhalten, das ist skandalös.

Irgendwie gehören Neonazis inzwischen zum Lokalkolorit Sachsens und weiterer ostdeutscher Bundesländer. Doch das ist nicht hinnehmbar. Nach dem NSU, nach der Pegida, nach dem Mord an Walter Lüncke, nach Thüringen und weit über 3000 rechtsextrem motivierten Straftaten im letzten Jahr, sollte die „Schonfrist“ für Neonazis abgelaufen sein. Die neuen Bundesländer müssen ganz anders gegen Neonazis und deren Strukturen vorgehen. Bislang hatte man eher den Eindruck, als würden die Behörden in den neuen Bundesländern gegenüber rechtsextremen Straftaten eher beide Augen zudrücken. Auch der Umstand, dass bei den verhafteten 12 Neonazi-Terroverdächtigen ein Polizist ist, beruhigt in diesem Zusammenhang kaum.

Der Neonazis-Sumpf muss konsequent ausgetrocknet und mit allen Mitteln verfolgt werden. Und in Dresden sollte man sich gut überlegen, ob man es weiterhin Jahr für Jahr erlauben soll, dass Neonazis das Gedenken an die zivilen Opfer des II. Weltkriegs beschmutzen und die Opfer verhöhnen. Die Gefahr, die von Neonazis in Deutschland ausgeht, ist weitaus konkreter, als die meisten Behörden dies wahrhaben wollen.

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