Und der Himmel weinte…

Gestern gedachte Straßburg der Opfer des Anschlags vom 11. Dezember 2018. Gedanken zur Erinnerung an ein schreckliches Ereignis und den Umgang damit.

Dieses hübsche, kleine Denkmal erinnert auch zukünftig an die Opfer des 11. Dezember 2018 in Strassburg. Foto: (c) Eurojournalist(e) / CC-BY-SA 4.0int

(KL) – Es ist seltsam, wenn man leidet, denkt man immer, dass die ganze Welt mit einem leidet. Das gilt für Personen genauso wie für Städte – und die Menschen in allen Städten, die in den letzten Jahren Terroranschläge erlebt haben, wissen, was ich meine. Denn die Anschläge in den letzten Jahren waren derart zahlreich, dass man sich nur noch dort daran erinnert, wo sie stattgefunden haben und wo die Menschen mittelbar und unmittelbar betroffen waren. So war es auch gestern in Straßburg. Die Trauer, die Erinnerungen an diese schlimme Nacht und die Tage danach, die haben nur wir in Straßburg erlebt. In Kehl, Offenburg oder Mulhouse war es gestern ein Tag wie jeder andere. Und das ist wirklich kein Vorwurf, sondern einfach eine Feststellung.

Nach verschiedenen offiziellen Terminen mit Größen der Politik, wie Innenminister Christophe Castaner, der aus Paris angereist war, wurde auf dem Platz der Republik im strömenden Regen ein Baum gepflanzt und ein hübsches und passendes Denkmal eingeweiht. Anwesend waren die wichtigen Persönlichkeiten, Vertreter der Familien der Opfer, jede Menge Polizisten, die eine weiträumige Gitterabsperrung bewachten, eine Handvoll lokaler Abgeordneter und ja, auch rund 30 Bürgerinnen und Bürger, die es auf sich genommen hatten, dieser Zeremonie beizuwohnen.

Dass dieser Tag nur den Straßburgern gehörte, merkte man bei den Reden. Der sichtlich bewegte OB Roland Ries hielt eine warme Rede, fand passende Worte für die Opfer, dankte denjenigen, die unmittelbar nach dem Anschlag eine Struktur für die Betreuung der Opfer eingerichtet und betrieben hatten und dies bis heute tun, wie die Bürgermeisterin Chantal Cutajar, kurz – seine Betroffenheit als oberster Stadtvater, dessen Stadt Schreckliches widerfahren war, war echt.

Innenminister Christophe Castaner hielt die zu erwartende republikanische Rede, eine Rede, die er vermutlich bei jeder dieser viel zu zahlreichen Gelegenheiten hält. Was soll er auch anderes sagen, als dass die Republik angesichts des fanatischen Terrors zusammenstehen muss, dass die Menschen solidarisch sein müssen? Und auch das ist kein Vorwurf an den Minister, dass er diese Rede mit leichten Abänderungen vermutlich schon zehn Mal gehalten hat – die Anschläge der letzten Jahre sind so zahlreich, dass man, besonders als nicht unmittelbar Betroffener, schnell in eine Art Betroffenheits-Routine fällt. Mehr ist nicht möglich.

Und dann fällt einem auf, dass wir, die betroffenen Straßburger, auch nicht anders sind. Wir begehen auch keine Gedenktage für die vielen Attentate, auch nicht für die, die in Frankreich stattgefunden haben. Es geht einfach nicht. Man kann nicht zweimal pro Woche einen Gedenktag für diese schrecklichen Ereignisse begehen, die wir so gut es geht aus unserer täglichen Wahrnehmung verdrängen, um nicht daran zu verzweifeln.

Dass nun auf dem Platz der Republik ein Bäumchen des Lebens wächst und ein hübsch gestaltetes Denkmal steht, ist eine gute Sache. Sie wird die Erinnerung an die brutal Getöteten aufrecht erhalten und auch in ein paar Jahren werden noch Schulklassen auf Klassenfahrt vor diesem Denkmal stehen und ihr Lehrer wird ihnen erzählen, dass vor Jahren Menschen bei einem Anschlag ums Leben gekommen sind. Vielleicht macht der eine oder andere dann auch ein Selfie vor diesem Denkmal und was die Öffentlichkeit angeht, hat es damit seinen Zweck auch erfüllt.

Schon morgen und übermorgen werden auch wir diesen Tag auch wieder aus der Wahrnehmung verdrängen und das ist ein gesunder, geradezu wichtiger Prozess. Diejenigen, die über den 11. Dezember 2018 nie hinwegkommen werden, das sind die Familien und Freunde der Opfer. Für sie ist es gut, dass es nun einen Ort der kollektiven Trauer für ihre Lieben gibt. Sie sind nun die Lebenden, die Unterstützung, Solidarität und menschliche Wärme brauchen. Und es waren ihre Tränen, die sich gestern mit dem strömenden Regen vermischten. Ab morgen werden sie mit ihrer Trauer wieder (fast) alleine sein. So ist es, wenn man in einem Zeitalter lebt, das von Gewalt, Terror, Mord und Totschlag geprägt ist. In was für Zeiten leben wir nur…

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