Und was bietet Frankreichs Linke?

Nach der unsäglichen Vorwahl der Konservativen geht nun die Kandidatenkür bei den Linken los. Und die wird ebenso ätzend werden wie bei der rechten Konkurrenz.

Premierminister Manuel Valls hat persönliche Ambitionen. Und zerfleddert dafür seine Partei, die PS. Foto: Eurojournalist(e)

(KL) – Eigentlich wäre die Situation für Frankreichs Linke prächtig gewesen. Nachdem sich die Konservativen in ihrem Vorwahlkampf gegenseitig zerfleischt hatten, hätte sich Frankreichs Linke als souveräne Einheit präsentieren und echte Alternative zu den zerstrittenen „Republikanern“ präsentieren können. Doch das wäre wohl zu einfach geworden. Statt die Gunst der Stunde zu nutzen, stürzt Premierminister Manuel Valls die Sozialisten (PS) in die nächste Krise. Ein gelungener Auftakt zur Kandidatenkür…

„Ich kann nicht gleichzeitig Kandidat für das Präsidentenamt und Premierminister sein“, erklärte Valls rätselhaft in einem Interview, und schon ging gestern das Rätselraten in Frankreich los. Was meinte Valls damit? Plant er, ähnlich wie der frühere Wirtschaftsminister Emmanuel Macron, seinen Rücktritt, um dann mit Vollgas in den Wahlkampf einzusteigen? Verlassen die Ratten das sinkende Schiff, an dessen Ruder François Hollande steht und sich wundert, wo eigentlich seine Mannschaft ist? Wird Valls zurücktreten und eine Regierungskrise auslösen? Wird er auf eine Kandidatur verzichten? Hat die PS überhaupt einen Plan?

François Hollande will am kommenden Wochenende seine erneute Kandidatur für das Präsidentenamt verkünden, doch dürfte er es schwer haben, alleine schon seine Partei von dieser Kandidatur zu überzeugen. Denn mit Zustimmungswerten von rund 13 % ist es schwer, von Zustimmung und nicht von offener Ablehnung zu sprechen. Viele seiner Wahlversprechen blieben uneingelöst, auch wenn man anerkennen muss, dass Hollande in den schwierigsten Stunden seines Mandats, nämlich nach den verschiedenen Terroranschlägen der letzten beiden Jahre, staatsmännisches Format bewies und mit seiner würdigen Haltung dafür sorgte, dass in Frankreich nicht das schiere Chaos ausbricht.

Eine Kandidatin für die Sozialisten? – Doch auch die Sozialisten werden eine Vorwahl organisieren und es gibt zahlreiche Kandidaten und Kandidatinnen. Da wäre neben Hollande schon mal der ehrgeizige Manuel Valls, der fieberhaft darüber nachdenkt, wie er seine schlechte Bilanz seinem Chef anhängen kann – denn auch er wäre gerne Kalif anstelle des Kalifen. Doch mehr Hoffnung setzen viele Mitglieder der Sozialisten auf eine Kandidatin und von denen stehen gleich drei zur Verfügung. Die ehemalige Justizministerin Christine Taubira, die aus Anstand und Protest gegen die Art der Regierungsführung von Manuel Valls zurückgetreten war; Martine Aubry, die Bürgermeisterin von Lille und vielleicht glaubwürdigste Vertreterin des linken Flügels der PS und Anne Hidalgo, die Bürgermeisterin von Paris. Eine dieser drei Politikerinnen wäre vermutlich die beste Alternative gegenüber den inzwischen reichlich abgehalfterten männlichen Kollegen, von denen keiner mehr glaubhaft vermitteln kann, dass er irgendetwas anders machen würde als bisher. Doch ob sich in der von alten Herren in grauen Anzügen dominierten sozialistischen Partei eine Frau durchsetzen kann?

Frankreichs Linke hat erneut eine Chance vertan, sich nach dem Imagedesaster der Konservativen die Gunst der Stunde zunutze zu machen und ein linkes Wahlbündnis mit Politikern wie Jean-Luc Mélenchon oder auch den französischen Grünen und, warum nicht, dem einen oder anderen Zentrumspolitiker zu schmieden. Anstatt den französischen Wählern zu vermitteln, dass diese 2017 nicht nur die Wahl zwischen stramm rechts (Fillon) und extrem rechts (Marine Le Pen) haben, sondern dass es eine starke linke Alternative gibt, verfallen die linken Kräfte in ihren üblichen Reflex und machen es den Konservativen nach – indem sie sich zerstreiten, aufsplittern und ein genauso jämmerliches Bild abgeben wie die politische Konkurrenz.

Das französische Zweiparteiensystem der V. Republik hat ausgedient, die Parteien sind nicht in der Lage, sich neu aufzustellen und echte politische Alternativen zu erarbeiten. Und immer wieder kann man nur staunen, wie einfallslos die politische Kaste Frankreichs ist – sie kommt aus dem selbstgestrickten Korsett ihrer eigenen Apparate nicht mehr heraus. Würde darunter nicht das ganze Land leiden, wäre es noch nicht einmal schlimm, doch diese jämmerliche Darbietung links wie rechts hat nur einen Effekt – sie stärkt die Rechtsextremen, die sich als einzige Partei jetzt schon auf die Wahlen 2017 freuen. Und sich in der Zwischenzeit bedeckt halten – was nachvollziehbar ist, denn sie müssen eigentlich gar nichts tun. Die anderen treiben ihnen die Wählerinnen und Wähler mit Begeisterung in die Arme.

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