Und wieder eine Chance verpasst…

Die französischen Politiker reagieren äußerst seltsam auf den Anschlag von Nizza. Statt den Schulterschluss mit der schockierten Bevölkerung zu suchen, versuchen sie, das Drama für ihre eigenen Ambitionen zu nutzen.

Während die Franzosen bei Schweigeminuten ihrer Trauer Ausdruck verleihen, versuchen die Politiker, das Drama für ihre eigenen Ambitionen zu nutzen. Foto: Elena tikhomirova / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 4.0int

(KL) – Wieso nur müssen Politiker immer nach den gleichen Pawlow’schen Reflexen reagieren? Nach dem schrecklichen Mordanschlag von Nizza überschlugen sich die französischen Politiker aller Couleur bei dem Versuch, den politischen Gegner in eine Art Mitverantwortung zu ziehen und sich selbst als die Lösung des Problems darzustellen. Dass sie sich dabei in Randbereichen der Volksverhetzung und mitten drin im schlechten Geschmack bewegen, das scheinen sie nicht zu merken. Und der Graben zwischen der französischen Bevölkerung und ihren Politikern wird immer tiefer.

Das gesamte rechte Spektrum der französischen Politik, vom gemäßigten Präsidentschaftskandidaten Alain Juppé über Politclown Nicolas Sarkozy bis hin zur rechtsextremen Marine Le Pen, vertrat die Ansicht, dass „die Regierung nicht alles getan habe, um den Anschlag zu verhindern“ – was eine Beleidigung nicht nur der Regierung, sondern vor allem der Opfer des Anschlags von Nizza darstellt. Der Mörder von Nizza war den Behörden nicht als „radikal“ bekannt und wie hätte man ein solches Attentat verhindern sollen? Durch das Verbot des Vermietens von LKWs? Mit welcher Maßnahme, außer der Absage aller öffentlichen Veranstaltungen im Land, kann man solche Anschläge denn verhindern?

Doch auch die Vertreter der Regierung überschlugen sich mit Peinlichkeiten. Premierminister Manuel Valls wollte schon Stunden nach dem Anschlag wissen, dass sich der Täter „ganz kurzfristig radikalisiert“ habe, was seinen Innenminister Bernard Cazeneuve vor laufenden TV-Kameras veranlasste, seinen Chef zu korrigieren. Doch Valls legte nur wenig später nach, indem er erklärte, dass man damit rechnen müsse, „dass weitere Menschenleben ausgelöscht werden“. Was er mit einer solchen Panikmache in der Bevölkerung bezweckt, ist schleierhaft.

Einzig Präsident François Hollande, der langsam eine tragische Routine bei solchen Anlässen entwickelt, zeigte sich in der Situation würdevoll und versuchte alles, Trauer und ein Zusammenrücken der Franzosen zuzulassen. Die von ihm verordnete dreitägige Staatstrauer war ein Zeichen, seine Worte an die Familien der Opfer und der Appell an die Einheit und Stärke der Franzosen waren angemessen.

Weniger als ein Jahr vor den französischen Präsidentschafts- und Parlamentswahlen ist der Graben zwischen Politik und Bevölkerung tiefer als je zuvor. Und der Versuch, eine menschliche Tragödie wie die von Nizza für seine persönlichen Ambitionen zu nutzen, ist zynisch und ekelhaft.

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