Veni, vidi, VINCI

Rund 5000 Menschen demonstrierten am Samstag in Straßburg gegen die geplante Autobahnumfahrung Ost, kurz GCO genannt. Das Projekt ist ein Skandal mit vielen Facetten.

Alle Verlierer (bis auf VINCI) - und alles ist gesagt... Foto: Courtesy Gökmen Tekin / CC-BY-SA 4.0int

(KL) – Rund 700 Millionen Euro soll die seit den 70er Jahren geplante Autobahnumfahrung Ost (GCO, Grand Contournement Ouest) kosten, ein Projekt, um das im Großraum Straßburg heftig gestritten wird. Zahlreiche Gutachten, insbesondere von staatlichen Stellen, kritisieren die Auswirkungen auf die Umwelt, bezweifeln den Nutzen des Projekts, der wohl nur eine minimale Entlastung des Stadtverkehrs erbringen würde, zeigen andere Möglichkeiten auf, mit denen der in der Tat unerträgliche Verkehr auf der Stadtautobahn in und um Straßburg vermindert werden könnte. Doch das Thema ist kein rein Straßburger Problem: Der französische Baugigant VINCI errichtet gerade einen Verkehrsflaschenhals für den gesamten europäischen Verkehr auf der Achse Nord-Süd. 5000 Demonstranten gingen deshalb am Samstag in Straßburg auf die Straße – während man auf der deutschen Seite kaum etwas davon mitbekommt, dass ein Teil der europäischen Verkehrspolitik gerade in die Hände eines privaten Unternehmens gelegt wird. And the winner is: VINCI.

Das Projekt GCO hat reichweitende Auswirkungen. Neben der Vernichtung landwirtschaftlicher Flächen, von Wäldern und einer ganzen ländlichen Struktur, werden auch die Zufahrtswege neu gestaltet werden. Aufgrund des zu erwartenden höheren Verkehrsaufkommens ist wohl als nächstes der Bienwald zwischen Lauterburg und Kandel auf der Abschussliste. Es gibt bereits Pläne, die dort durch den Bienwald führende Bundesstraße zweispurig auszubauen – die ganze Region wird durch ein Projekt geschädigt, von dem selbst die begeistertsten Befürworter einräumen, dass es im Idealfall zu einer Verkehrsentlastung von 4 % führen kann.

Doch all das hätte VINCI wenig genutzt, hätten die LKWs weiterhin kostenlos die A5 auf der deutschen Seite nutzen können. Doch das hat VINCI erfolgreich verhindert. Durch die 51%-Mehrheit am Lizenznehmer des Autobahnabschnitts der A5 Malsch – Offenburg, Via Solutions Südwest, beherrscht VINCI ab sofort den gesamten Straßenverkehr zwischen Deutschland, Skandinavien, Benelux, dem Baltikum und Osteuropa und dem ganzen südeuropäischen Mittelmeerraum. Speditionen können künftig nur noch wählen, ob sie ihre Mautgebühren an VINCI auf deutscher oder französischer Seite entrichten wollen. Schlimmer noch: durch diesen verkehrstechnischen Engpass auf Höhe Straßburg – Ortenau erhält nun ein privates Unternehmen ein Instrument, mit dem große europäische Verkehrsströme gemanagt werden. Dabei ist europäische Verkehrspolitik eigentlich nicht Aufgabe eines Privatanbieters, der damit Geld verdient, sondern eine Angelegenheit für den zuständigen Europäischen Kommissar.

Nicht nur, dass das mindestens 700 Millionen Euro schwere Projekt zahlreiche Schäden bei minimalem oder gar nicht existentem Nutzen verursacht, nicht nur, dass es sich um ein politisch mehr als fragwürdiges Projekt handelt, bei dem sich die europäische Verkehrspolitik zum Nutzen der privaten Bauwirtschaft verabschiedet, dazu empfinden es viele Franzosen auch als eine Art Offenbarungseid des Funktionierens der Demokratie.

Denn wenn die verschiedenen staatlichen Instanzen, die sich zu diesem Projekt zu äußern hatten und dabei zum Ergebnis kommen, dass dieses Projekt bei hohen Kosten mehr schadet als nutzt, der Staat aber trotz aller dieser Stellungnahmen einfach entscheidet, jetzt mit dem Bau zu beginnen, dann ist es nachvollziehbar, wenn sich die Franzosen fragen, wozu man dann einen derart aufgeblasenen Verwaltungsapparat braucht, wenn dessen Stellungnahmen und Empfehlungen ohnehin keine Rolle spielen.

Der Präfekt hat erst vor wenigen Tagen die Genehmigungen zum Baubeginn unterschrieben, natürlich auf Anweisung aus Paris, und das Gefühl, dass der Bürgerwille in der französischen Politik keinerlei Rolle mehr spielt, verfestigt sich. Denn vom Projekt GCO wird nur einer profitieren. Nicht die Elsässer, nicht das Elsass, nicht die Natur – sondern VINCI. Und so bestätigt sich das, was durch den Rücktritt des französischen Umweltministers Nicolas Hulot (der unter dem Druck der Lobbys das GCO bestätigt hatte) klar wurde – die Lobbys machen die Politik. Und zwar nicht im Interesse der Bürgerinnen und Bürger, sondern im Interesse von Big Business.

Der Widerstand gegen diese Politik regt sich. Viele Franzosen erkennen, dass die Hoffnung, dass sich unter der neuen Regierung etwas verändern würde, leider falsch war. Doch kann es nicht sein, dass Gruppen wie VINCI wie die römischen Staathalter einfach das Kommando übernehmen. Und dass die Politik und Verwaltung einfach nur zuschauen und brav die entsprechenden Genehmigungen unterschreiben, verstärkt dieses ungute Gefühl, dass die Region auf beiden Seiten des Rheins gerade von einem Konzern übernommen wurde. Veni, vidi, VINCI.

Kommentar hinterlassen

E-Mail Adresse wird nicht veröffentlicht.

*



Copyright © Eurojournaliste