Verbieten! Aber sofort!

Frankreich hat den Aufreger des Sommers – das Land fordert die Abschaffung der Hostessen bei den Siegerehrungen der Tour de France und anderen Sportveranstaltungen. Das wurde aber auch Zeit!

Solche schockierenden Bilder will man in Frankreich nicht länger sehen. Richtig so! Verbieten! Foto: Oliver Sebrantke / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 3.0

(KL) – Gewiss, die Welt steuert gerade auf den III. Weltkrieg zu, der entweder rund um die Taiwan-Frage oder zwischen den USA-Großbritannien und dem Iran ausbrechen wird. Klar, Frankreich wird seit über einem halben Jahr von einer selbstgemachten Sozialkrise erschüttert. Natürlich muss man sich auch mit dem „Brexit“ und dem Auseinanderfallen der EU beschäftigen. Und die galoppierende Armut in Europa ist auch ein Thema. Aber all das ist nichts, wenn es um die wirklich wichtigen Themen geht – wie den Sexismus bei den Siegerehrungen der Tour de France und anderen Sportveranstaltungen. Und damit wäre wohl auch die Frage um das Sommerloch-Thema in den französischen Medien entschieden.

Jeder kennt die Bilder. Am Ende jeder Tour de France-Etappe, bei der Siegerehrung, bei der den verschwitzten Fahrern die Ehrentrikots angezogen werden, stehen links und rechts neben den Sporthelden gutaussehende Schönheiten, die im Auftrag der jeweiligen Werbepartner den erfolgreichen Sportlern ein Küsschen auf die Wange drücken und danach einige Sekunden lang mit einem Zahnpastalächeln etwas gequält in die Kameras lächeln. Und nun hat sich herausgestellt, dass diese ganze Nummer, man glaubt es kaum, sexistisch sein soll! Dass diese Hostessen mehr als nur Küsschen ausgesetzt sind. Dass sich da auch schon mal die eine oder andere Hand an Stellen bewegt, die diese Hostessen zwar zur Schau stellen, die aber definitiv nicht zum Anfassen angeboten werden. Da sind sich alle einig. Und das Ergebnis der kollektiven Aufregung steht bereits fest: Es ist höchste Zeit, dass diese Siegerehrungsarbeiterinnen geschützt werden. #balancetontourdefrancesieger.

Alle sind sich einig – die Siegerehrungsarbeiterinnen in ihren hautengen kurzen Kleidchen, die unverschämt die physischen Vorzüge der Trägerinnen zur Geltung bringen, müssen vor der Machowelt des Radsports geschützt werden und darüber ist eine große gesellschaftliche Debatte ausgebrochen. Das war auch Zeit, denn was die Siegerehrungsarbeiterinnen in ihrem Job so alles erleben müssen, das geht auf kein gelbes Trikot, äh, keine Kuhhaut. Ausgebeutet, zu Sexobjekten degradiert, von Blicken ausgezogen – das muss sich ändern und zwar sofort.

Allerdings übersieht man bei dieser Debatte, dass die Siegerehrungsarbeiterinnen keine Zwangsarbeiterinnen sind und dass die Bewerberinnenlisten für diesen anstrengenden Job unendlich lang sind. Keine der Bewerberinnen kann ernsthaft glauben, dass ihre Aufgabe als Siegerehrungsarbeiterin in etwas anderen besteht, als ihre körperlichen Vorzüge einem Millionenpublikum zu präsentieren. Keine der Bewerberinnen glaubt ernsthaft, dass ihr Job in etwas anderem besteht, als gut auszusehen, dem Sieger in Küsschen auf die Backe zu hauchen und 15 Sekunden in die Kameras zu strahlen. Noch nie hat eine Siegerehrungsarbeiterin etwas anderes getan. Und obwohl sie sich dabei all diesen sexistischen Übergriffen aussetzen, wird die Liste der Bewerberinnen nicht kürzer, sondern länger.

Wie aber soll man dieses wichtige gesellschaftliche Problem nur lösen? Wäre es nicht an der Zeit, einerseits eine Siegerehrungsarbeiterinnen-Hochschule zu gründen, in der die Siegerehrungsarbeiterinnen auf ihren anspruchsvollen Job vorbereitet werden und in der sie lernen, bei den Siegerehrungen mehr ihre inneren Werte zur Geltung zu bringen? Und muss nicht andererseits eine Sensibilisierungs-Kampagne in der ganzen Welt des Sports organisiert werden, in der die Rolle der Siegerehrungsarbeiterinnen komplett neu definiert wird? Wann endlich gibt es auch Siegerehrungsarbeiter? Sollten diese Küsschen bei der Siegerehrung nicht jeweils von einem weiblichen und einem männlichen Mannequin durchgeführt werden? Mit einer kurzen Podiumsdiskussion, bei der alle Beteiligten wichtige Statements gegen Sexismus abgeben? In diesem Zusammenhang muss auch der Dresscode der Siegerehrungsarbeiterinnen überarbeitet werden – statt hautengen Minikleidchen eher Baggy Pants, schlabbrige Wollpullover und Turnschuhe, damit diese hoch erotische Atmosphäre bei den Siegerehrungen gar nicht erst aufkommt?

Wir werden den ganzen Sommer lang über diese wichtige Frage diskutieren können – schon gründen sich erste Vereine und Verbände, die Frauenbewegung hat das Thema (endlich!) aufgenommen und nun wird man bis zum Herbst eine Lösung finden müssen. Diese Küsserei auf dem Podium einfach abzuschaffen, das traut man sich dann allerdings doch noch nicht – dabei wäre das der einzig gangbare Weg. Also – verbieten, unter hoher Strafandrohung und zwar sofort. Dann können wir vielleicht auf den letzten Drücker doch noch die Welt retten…

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