Ein Sportsommer in der Festung Europa

Erst die Fußball-EM in Deutschland, dann die Olympischen Spiele in Paris. Das Ganze findet in einer Art Hochsicherheits-Atmosphäre statt, die langsam unangenehm wird.

Rechtzeitig zu den Sportveranstaltungen im Sommer 2024 verwandelt sich Europa in eine Festung. Das kann ja heiter werden... Foto: Leonhard Lenz / Wikimedia Commons / CC0 1.0

(KL) – Deutschland will, so Innenministerin Nancy Faeser, für die Fußball-EM an allen Grenzen Kontrollen einrichten, zusätzlich zu den mobilen Kontrollen an den östlichen Grenzen, bei denen es darum geht, Flüchtlinge davon abzuhalten, nach Deutschland zu kommen. Doch während der EM geht es nicht um Flüchtlinge, sondern in der allgemeinen Gemengelage um islamistische Terroristen. Und kaum wird die EM vorbei sein, geht es auch schon mit den Hochsicherheits-Spielen in Paris weiter, bei denen 45.000 Polizisten und Soldaten mobilisiert werden.

Was an diesen beiden Veranstaltungen „Spiele“ sein sollen, das wird immer unklarer. Dass man an zwei Veranstaltungen festhält, die nach menschlichem Ermessen nicht zu 100 % abgesichert werden können, hat eher mit Trotz als mit gesundem Menschenverstand zu tun, denn wer immer einen Anschlag auf die EM oder die Olympischen Spiele plant, der hat jetzt schon entsprechende Vorbereitungen getroffen. Auch Einzeltäter, die sich von den letzten Attentaten „inspiriert“ fühlen, kann man praktisch nicht ausschließen. Insofern werden wir Hochsicherheits-Veranstaltungen haben, die allerdings gar nicht so hochsicher sein werden, wie sie es gerne wären.

Abgesehen davon, wie in Frankreich zum Thema der Teilnahme russischer und belarussischer Sportler und Funktionäre herumgeeiert wird, sind die Sicherheitskonzepte nach Aussagen von Experten ziemlich löcherig. Verhindern kann man höchstens Anschläge, die von internationalen Terror-Organisationen mit viel Amateurismus geplant werden. Doch diese Gruppe Terroristen stellt noch lange nicht den gesamten Terrorismus dar und auch die weitere Aushöhlung des Schengen-Raums wird kaum verhindern können, dass entschlossene Terroristen zur Tat schreiten. Im Juni und Juli werden wir mehr wissen.

Genauso interessant wie die Frage, ob und wie man solche Mega-Veranstaltungen absichern kann (Antwort: höchstens lückenhaft), ist die Frage, was nach diesen Veranstaltungen mit den ganzen Sicherheitssystemen passiert. Wird man sie, wie angekündigt, wieder langsam zurückfahren oder behält man sie einfach bei, weil es praktisch für die staatlichen Behörden ist, auch, wenn diese Sicherheits-Maßnahmen einen tiefen Einschnitt in die Grundrechte der Europäerinnen und Europäer darstellen? Beispiel digitale Gesichtserkennung im öffentlichen Raum in Paris. Diese ist zwar von der EU verboten worden, doch hat Paris, wie alle anderen Länder, zwei Jahre Zeit, dieses Verbot in nationales Recht zu überführen. Und wenn Frankreich das nicht tut? Und was ist, wenn Deutschland seine Schengen-widrigen Grenzkontrollen beibehält? Beispielsweise zu Frankreich?

Zum Zeitpunkt der jeweiligen Bewerbungen für diese Veranstaltungen konnten die betroffenen Länder nicht wissen, wie sich die weltpolitische Lage entwickelt. Doch hat sich diese Lage entwickelt und nicht zum Guten. Doch den Zug, diese Veranstaltungen, wie beispielsweise die Olympischen Spiele in Tokyo während der Covid-Pandemie zu verschieben, hat man in Deutschland und Frankreich verpasst. Doch was werden das für Veranstaltungen, wenn diese in einer Hochsicherheits-Blase stattfinden, die trotz aller Bemühungen so viele Lücken aufweisen wird?

Wie es für die Zuschauer sein wird, die von Anfang an unter einer Art Generalverdacht stehen werden, sei dahingestellt. Der zum EM oder zu den Olympischen Spielen fährt, der weiß, was auf ihn oder sie zukommt. Aber mit Spielen oder dem „Fest der Jugend der Welt“ werden diese Veranstaltungen nichts zu tun haben. Die Angst wird immer mit dabei sein und in Zeiten, in denen der Terrorismus so omnipräsent ist, in denen Kriege vor unserer Haustür toben, an denen wir inzwischen aktiv beteiligt sind, sind solche Mega-Veranstaltungen reichlich aus der Zeit gefallen. Mehr als hoffen, dass nichts passiert, kann man nicht. Und was machen wir, wenn sich so etwas wie München 1972 wiederholt? Wie der damalige IOC-Präsident Avery Brundage einfach „The Games must go on“ sagen? So richtig Vorfreude auf diese beiden Sportereignisse will auf jeden Fall nicht aufkommen…

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