Viel bringen werden die Propaganda-Slogans nicht

Die russische Propaganda wird immer mehr zur Märchenstunde, doch die westliche Propaganda ist auch wenig zielführend. Doch wenn alle so weitermachen, ist der Weg in die Katastrophe vorgezeichnet.

Oleksij Resnikow, der ukrainische Verteidigungsminister, fordert nun auch Offensiv-Waffen. Und er wird sie auch bekommen. Foto: Y27 / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 4.0int

(KL) – In den letzten Tagen erkennt man immer deutlicher das neue russische Narrativ, nach dem der Westen „die Ukraine zerstört“, die USA den Ukraine-Krieg vom Zaum gebrochen haben und ohnehin die Schuld an allem tragen, während sich Russland in der Rolle des armen Opfers gefällt. Doch Fakt ist, dass Putins Russland am 24. Februar 2022 völkerrechtswidrig die Ukraine überfallen hat und dort seitdem ein mörderischer Krieg tobt. Doch die ukrainische Kommunikation ist auch nicht viel besser und deutet ebenso wie die aus Russland darauf hin, dass dieser Krieg sehr, sehr lange dauern wird und man mag sich nicht ausmalen, wie Zentraleuropa aussehen wird, wenn dieser Krieg eines Tages vorbei sein wird.

Dass Putin, Lawrow, Sacharowa & Co. inzwischen nur noch mit gequirltem Mist versuchen können, ihren Angriffskrieg zu „rechtfertigen“, ist eine Sache. Doch die Haltung der Ukraine deutet auch nicht gerade darauf hin, dass man in Kiew Wert auf einen Waffenstillstand und das Ende des Gemetzels legt. So lehnt Verteidigungsminister Oleksij Resnikow, ebenso wie sein Präsident Zelensky, Verhandlungen mit Russland ab. Seine Aussage, die Ukraine würde nur über „Reparationen, ein internationales Tribunal und die Veerantwortung für die Kriegsverbrechen des Kremlpersonals“ verhandeln und das auch nur, wenn es einen neuen Chef im Kreml gibt, ist nicht weniger realitätsfremd als das Gebrabbel aus Moskau.

Der Stellungskrieg rund um Bachmut zeigt, dass die Ukraine nur dann theoretisch eine Chance hat, diesen Krieg militärisch für sich zu entscheiden, wenn die NATO offen und mit eigenen Truppen in das Kampfgeschehen eingreift und selbst dann ist ein militärischer Erfolg kein Selbstläufer, wenn man den bedauernswerten Zustand der westlichen Armeen anschaut. Die Front ähnelt mittlerweile der Lage vor Verdun im ersten Weltkrieg – beide Seiten opfern Hunderte und Tausende von Soldaten, um hier und da 50 Meter Geländegewinn zu verzeichnen.

Seltsamerweise glauben viele, dass der Ukraine-Krieg so weitergeht und dass beide Seiten aus „humanitären und logischen Gründen“ darauf verzichten werden, diejenigen Waffen einzusetzen, mit denen man die richtig großen Katastrophen auslöst. Die bisherige konventionelle Kriegsführung hat bereits Hunderttausende Todesopfer gekostet, doch ist die Annahme, dass es beim Einsatz der bisher verwendeten Waffensysteme bleiben wird, ziemlich weltfremd.

Die russische Nuklear-Doktrin ist bekannt und nachdem der ukrainische Verteidigungsminister Oleksij Resnikow letzte Woche erklärt hat, dass man Langstreckenraketen und Kampfjets „natürlich“ auch benötigt, um Stellungen auf russischem Territorium anzugreifen, düfte relativ klar sein, wie Russland darauf reagieren wird.

Putin will nicht verhandeln, die Ukraine will nicht verhandeln. Ja, wer soll denn dann verhandeln? Beide Seiten formulieren Forderungen, um Verhandlungen aufzunehmen, die unrealistisch und nicht erfüllbar sind. Russland fordert die Anerkennung der annektierten Regionen, die nicht erfolgen wird; die Ukraine fordert, dass kein russischer Soldat mehr auf ukrainischem Territorium steht, um Verhandlungen aufzunehmen. Beides ist in der aktuellen Lage völlig unrealistisch.

Mit markigen Sprüchen, Heldengeschichten, Lügen über das Geschehen an der Front und den üblichen Siegesparolen wird man diesen Krieg nicht beenden können. Schon gar nicht in einer Situation, in der die westlichen Länder die von ihnen verhängten Sanktionen gegen Russland bei jeder sich bietenden Gelegenheit unterlaufen, um weiterhin Geschäfte mit dem Kriegsherren Putin und Russland zu machen.

Läuft am Ende alles auf eine Konfrontation USA/NATO gegen Russland/China hinaus? Und alle stolpern hinterher, weil das alles so „alternativlos“ ist? Wie wäre es denn, wenn wir anfangen würden, unsere eigenen Sanktionen konsequent durchzuziehen, wenn wir diplomatische Anstrengungen in Richtung derjenigen Staaten zu unternehmen, die sich nicht offen gegen den russischen Krieg gestellt haben und damit Russlands Kriegskasse austrocknen, damit sich am Ende doch alle an den Tisch setzen und überlegen, wie man aus dieser völlig verfahrenen Situation wieder herauskommt, bevor wir „aus Versehen“ diesen Planeten zerstören?

So wird erstmal alles weitergehen wie bisher. Natürlich werden wir am Ende auch die „rote“ Linie von Kampfjets und Langstreckenraketen überschreiten, die als Offensivwaffen nicht in erster Linie zur Verteidigung der Ukraine, sondern für Angriffe auf Russland dienen. Dass sich die Bevölkerungen im Westen mit dieser mörderischen Logik nicht unbedingt begeistert identifizieren, kritisiert die Politik als „Kriegsmüdigkeit“. Aber ist „Kriegsmüdigkeit“ nicht die einzig normale Haltung, die man angesichts des mörderischen Treibens einnehmen kann?

Am Ende werden sich wieder alle wundern, wie es so weit kommen konnte. Doch es kann nur deshalb so weit kommen, weil sich alle zusammen Mühe geben, diese Eskalation auch wirklich zu organisieren. Die Rechnung dafür werden nicht etwa diejenigen bezahlen, die für diesen Krieg verantwortlich sind, sondern diejenigen, die ihn ausfechten müssen und die Menschen in den Ländern, die für den Kriegswahnsinn ihrer „Verantwortlichen“ aufkommen müssen – also wir alle.

Kommentar hinterlassen

E-Mail Adresse wird nicht veröffentlicht.

*



Copyright © Eurojournaliste