Vorratsdatenspeicherung: Auch Sie sind im Visier!

Die Bundesregierung will jetzt auch auf Vorrat Daten speichern. Genau wie Frankreich. Doch das verhindert keinen Terrorismus, sondern öffnet der Repression Tür und Tor.

So sieht's aus - aber Big Brother sieht nicht nur alles, er vergisst auch nichts. Foto: Paterm (La-Ferté-sous-Jouarre) / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 3.0

(KL) – Kommen Sie mir nicht mit Sprüchen wie Wolfgang Schäuble, der zur Totalüberwachung durch die NSA nur achselzuckend meinte, er habe nichts zu verbergen. Hier werden weiter Stück für Stück die individuellen Bürgerrechte abgeschafft und in- und ausländische Geheimdienste werden künftig bestimmen, ob sie den begehrten neuen Job bekommen oder ob Ihre Kinder an dieser oder jener Eliteschule studieren dürfen. Der Preis für die vermeintliche Sicherheit, die es gar nicht gibt, ist der Verzicht auf Individualität, das Akzeptieren der totalen Gleichschaltung. Und wehe Ihnen, wenn Sie einmal mit etwas nicht einverstanden sein sollten, das in Berlin, Brüssel oder Washington beschlossen wird – diese Information wird zahlreichen Stellen und Diensten so lange zur Verfügung stehen, wie sie Zeit haben zu bereuen, dass Sie mit Ihren Freunden darüber am Telefon diskutiert haben.

Dabei spielt es keine Rolle, nach welchen Parametern Ihre Daten gespeichert werden. Denn diese Parameter sind nicht mehr als ein Eintrag in einer Datenbank, der jederzeit geändert werden kann. Hätte es solche Systeme in den 30er Jahren in Deutschland gegeben, hätte es ausgereicht, den Parameter „Religionszugehörigkeit“ so einzustellen, dass nicht ein einziger Jude mehr aus Deutschland herausgekommen wäre. Meinen Sie wirklich, der Staat hätte diese Möglichkeit nicht genutzt, wenn er sie denn gehabt hätte. Kann man die Hand dafür ins Feuer legen, dass nie wieder eine Regierung in Deutschland ans Ruder kommt, die so eingestellt ist, dass beispielsweise ein Engagement in der Antiatomkraft-Bewegung oder in antifaschistischen Gruppen der betroffenen Person zum Verhängnis werden kann? Natürlich nicht. Also sollten wir alles daran setzen, dem anonymen Gebilde „Staat“ nicht Instrumente an die Hand zu geben, deren Natur laut nach Missbrauch schreit.

Na klar, seit den Enthüllungen von Edward Snowden und der ersten Aufregung darüber, haben Sie irgendwann auch resignierend mit den Achseln gezuckt und gesagt „da können wir ohnehin nichts ändern, die machen ja eh, was sie wollen“. Zumal sich ja in Ihrem täglichen Leben nichts Spürbares für Sie verändert hat. Vor Ihrem Haus stehen keine Geheimagenten, Ihr Konto wurde nicht gekündigt und eigentlich hat sich gar nichts getan. Kann also gar nicht so schlimm sein, dass alles und jeder überwacht wird und diese Daten jetzt auch noch gespeichert werden sollen, obwohl Sie noch nicht einmal im Verdacht stehen, Sie könnten eine Straftat begangen haben oder planen, eine zu begehen. Doch das ist ein Irrtum.

Was machen Sie denn, wenn, wie Sascha Lobo in einem hervorragenden Beitrag auf SPIEGEL online schreibt, Ihre Tochter an einer Demo teilnimmt und dann Jahre später nicht in den Schuldienst übernommen wird? Sind Sie sicher, dass Sie sich morgen noch trauen, eine Online-Petition gegen das TTIP zu unterschreiben, obwohl Sie eigentlich dagegen sind? Immerhin wissen Sie, dass Sie diese online geleistete Unterschrift für einen unüberschaubaren Zeitraum begleiten wird…

Die Tatsache, dass die Bürgerrechte immer weiter ausgehöhlt werden, ist allerdings nicht gottgegeben, sondern wird gerade von Menschen beschlossen, die wir gewählt haben, damit sie unsere Interessen beim Management unseres Landes vertreten. Unseren Abgeordneten. Folgerichtig fordert Sascha Lobo, wir mögen unsere Abgeordneten kontaktieren und ihnen mitteilen, dass wir von ihnen erwarten, dass sie gegen dieses Vorhaben stimmen und entsprechend in ihren Parteien einen Dialog starten.

Diejenigen, die heute über die Einführung solcher Werkzeuge entscheiden, machen dabei mehrere Fehler. Zum einen denken sie, dass auch jede nachfolgende Regierung maß-, fried- und sinnvoll agieren wird, doch alleine schon die Statistik zeigt, dass es überall auf der Welt zyklisch zu Diktaturen, totalitären Systemen und übelsten Regimes kommt. Mag sein, dass wir heute das Glück haben, dass unsere Politiker keine blutrünstigen Despoten sind, doch sollte uns unsere eigene Geschichte gelehrt haben, dass diese auch bei uns vorkommen. Ziemlich regelmäßig und Hitler war in den letzten paar Jahrhunderten nicht der einzige Kriegstreiber in unseren Breitengraden. In solchen Händen möchte man seine Daten eigentlich nicht wissen.

Der nächste Fehler ist, dass so ziemlich jede Behörde Zugriff auf die gleichen Daten haben wird, gleich, was man uns erzählt. Wie Snowden nachwies, tauschten Geheimdienste weltweit Daten wie Schüler Panini-Bildchen. Damit entsteht eine Art 1984-Vision der Gleichschaltung. Eigentlich noch schlimmer als bei Orwell. Denn diese hier ist quasi freiwillig, wir akzeptieren sie einfach. Wer das nicht möchte, weil er Individualismus und die persönliche Freiheit höher einschätzt als eine vorgegaukelte Sicherheit durch solche Maßnahmen, der sollte vielleicht doch Sascha Lobos Rat folgen.

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