Wahlen in Griechenland: Tsipras 2.0 – und jetzt?

Bei den Wahlen in Griechenland hat Alexis Tsipras mit seiner Syriza überraschend deutlich gewonnen - nach den Hochrechnungen liegt er mit 35,5 % der Stimmen deutlich vorne.

Alexis Tsipras hat gestern von den Griechen ein neues Mandat erhalten - doch wird dies irgendetwas ändern? Foto: Lorenzo Gaudenzi / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 3.0

(KL) – Alle hatten ein ganz knappes Rennen zwischen der linken Syriza und der rechten Nea Dimokratia vorausgesagt – es wurde ein deutliches Plädoyer für Alexis Tsipras. Bei einer Wahlbeteiligung von rund 60 % (ein Rückgang gegenüber den letzten um rund 3 %), profitiert Alexis Tsipras davon, dass keine der anderen Parteien deutlich zulegen konnte – er wird sich seine Koalitionspartner zu seinen Bedingungen aussuchen können. Allerdings steht er gegenüber den Griechen im Wort und wird nicht umhin kommen, das dritte „Hilfspaket“ der europäischen Institutionen in Brüssel nach zu verhandeln. Doch das dürfte schwierig werden. Nur – nachdem Tsipras bereits das gesamte Feuerwerk an taktischen Maßnahmen abgebrannt hat, mit dem Referendum am 5. Juli, das zum Ergebnis hatte, dass dieses dritte „Hilfspaket“ nicht etwa abgelehnt, sondern zu noch deutlich verschärften Bedingungen angenommen wurde, mit den vorgezogenen Neuwahlen am Sonntag, muss Tsipras nun liefern. Und zwar sowohl in Athen, wie auch in Brüssel. Eine Herkulesaufgabe.

Den anderen Parteien trauen die griechischen Wählerinnen und Wähler offenbar noch weniger über den Weg. Die Nea Dimokratia, die sich wenige Tage vor den Wahlen bereits vor der Syriza liegen sah, kam auf müde 28,1 %, die für einen Kurswechsel definitiv nicht ausreichen, dritte Kraft werden die Neofaschisten der „Goldenen Morgenröte“, die zu den wenigen Gewinnern zählen (7,1 % – +0,8 %), die frühere Regierungspartei PASOK schafft es gerade einmal auf 6,4 %, die Kommunisten (KKE) stagnieren bei 5,5 % (sind aber ebenso wie die PASOK potentielle Koalitionspartner für die Syriza), die nationalkonservative ANEL, bisheriger Koalitionspartner von Tsipras landet bei 3,7 % und ob es die Dissidenten der Syriza, die Laiki Enotita, wird es zwar voraussichtlich über die 3 %-Hürde schaffen, kommt aber als Koalitionspartner nicht in Frage, das könnte eher schon die liberale Potami (3,9 %) werden, sollte die bisherige Koalition eine zu knappe Mehrheit im griechischen Parlament haben. Fast alle Parteien sind mehr oder weniger auf der gleichen Ebene wie bei den Wahlen im Januar 2015 geblieben – ganz offensichtlich haben die Griechen Tsipras erneut das Vertrauen aussprechen wollen.

Worauf müssen sich jetzt Griechenland und die EU einstellen? Zum einen muss man sich in Brüssel auf einen härteren Verhandlungspartner Alexis Tsipras einstellen – der die Griechen hinter sich weiß. Auch in Brüssel wird man verstehen, dass man Tsipras nun zumindest ein Stück entgegen kommen muss, denn Brüssel wird nicht den gewünschten Verhandlungspartner der Konservativen an den Tisch bekommen und niemand kann in Brüssel ein Interesse an einer erneuten Konfrontation mit der Syriza haben.

Doch Tsipras weiß auch, dass sein radikaler Kurs in Brüssel keine Chance hat. Diese bittere Erfahrung musste er seit Januar machen, als er angetreten war, gegen die deutsche Austerität zu kämpfen, um eine Politik für Menschen statt für Banken und Finanzmärkte zu machen – und damit scheiterte. Er wird Verhandlungen geben, bei denen aber künftig beide Seiten darauf achten werden, dass der Gegenüber nicht vollständig sein Gesicht verliert.

Zu den ersten Maßnahmen der „Tsipras 2.0-Regierung“ wird ein unpopuläres Maßnahmenpaket gehören, das Tsipras kaum vermeiden kann. Die Erhöhung der Mehrwertsteuer wird bestätigt werden, Landwirte, Privatschulen und Mieteinnahmen werden höher besteuert werden, Unternehmen und Freiberufler werden höhere Steuervorauszahlungen leisten müssen. Alles typische Troika-Maßnahmen, mit denen die Konjunktur weiter gebremst wird, dafür aber Griechenland neue Kredite erhält, um alte Kredite bedienen zu können. Der Teufelskreis wird also weitergehen.

Dazu wird aller Voraussicht nach das Eintrittsalter in die Rente auf 67 Jahre steigen, der vorzeitige Ruhestand wird erschwert werden, die Subventionen auf Heizöl werden um die Hälfte gekürzt. Und auch die Brüsseler Vorgabe, nach der Staatsbesitz in Höhe von 50 Milliarden Euro in einem Privatisierungsfonds veräußert werden soll, wird umgesetzt werden, wobei sich alle Beobachter einig sind – die zu erlösenden Summen gehören eher in den Bereich der Traumtänzerei und können nicht erzielt werden. Blöd für Griechenland, denn ein paar Milliarden für ein neues Konjunkturprogramm gibt es aus diesem Fonds nur, wenn tatsächlich 50 Milliarden erzielt werden.

Und genau dort beginnen die Probleme für Alexis Tsipras. Zwar ist er der Gewinner der Wahl vom Sonntag, zwar hat er ein neues Mandat, doch an der eigentlichen Problematik hat sich nichts geändert. Weiterhin muss Alexis Tsipras eine Politik führen, die so ziemlich das Gegenteil dessen ist, wofür die Syriza angetreten war. Es sei denn, Tsipras überrascht jetzt alle und geht mit dem neuen Votum im Rücken wieder auf Konfrontationskurs mit Brüssel. Zuzutrauen wäre es ihm allemal.

Doch unter dem Strich ähnelt „Tsipras 2.0“ doch recht stark „Tsipras 1.0“. Es sei denn, der geschickte Politiker Alexis Tsipras hat einen Plan in der Hinterhand, mit der er alle überraschen wird. Zuzutrauen wäre es ihm…

(Anm. der Redaktion: Alle Zahlen reflektieren die Hochrechnungen um 22 Uhr. Verschiebungen sind noch möglich, jedoch wird sich am allgemeinen Trend nichts Entscheidendes mehr verändern.)

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