Wahlkampf im Elsass – die Nerven liegen blank

Bei einer Veranstaltung zur Unterstützung der regionalen Sprachen und Kulturen in Colmar wurde der Präsident der Region Grand Est Jean Rottner mit einem Kilo Mehl eingenebelt. Und dann ging es richtig los.

Nein, Jean Rottner ist nicht über Nacht ergraut, sondern er wurde mit Mehl überschüttet. Seine Reaktion darauf war klasse. Foto: Tweet Jean Rottner

(KL) – Das Niveau des Wahlkampfs für die am 20. und 27. Juni stattfindenden Regional- und Departementswahlen in Frankreich sinkt in ungeahnte Tiefen. Bei einer Veranstaltung zur Unterstützung der regionalen Sprachen und Kulturen in Colmar am Samstag schüttete ein „politischer Spaßvogel“ ein Kilo Mehl über dem Kopf des Präsidenten der Region Grand Est aus. Dieser nahm es mit erstaunlich viel Humor. Doch während Rottner richtig cool reagierte, endete die Veranstaltung mit einer Schlägerei zwischen einem konservativen Abgeordneten und einem Kandidaten des rechtsextremen Rassemblement National.

Gleich, wie man politisch zu Jean Rottner stehen mag, physische Angriffe dürfen und können kein Ausdrucksmittel in der politischen Debatte sein. Nachdem ihm in Colmar ein offenbar hysterischer Autonomist ein Kilo Mehl über dem Kopf ausgeschüttet hatte, reagierte Jean Rottner sehr cool und sogar mit viel Humor. In einem Tweet erklärte er: „So von einem Autonomisten mit Mehl überschüttet zu werden, ist eine Art der Anerkennung. Ich bin für diese Hommage an die elsässische Bäckerskunst sehr empfänglich. Ich werde ein wenig davon für meinen Gugelhopf und meine Bretzel am Sonntag aufheben. Hopla!“ Diese humorvolle Reaktion war mit Abstand das Beste an diesem Nachmittag, an dem die Autonomisten einmal mehr zeigten, dass sie selbst ihrer Sache den größten Schaden zufügen.

Während in anderen französischen Regionen die regionalen Sprachen und Kulturen positiv gepflegt werden (man denke nur an das Festival „Interceltiques“ im bretonischen Lorient!), sind die elsässischen Autonomisten häufig politisch verkrampft, bissig und vergessen vor lauter „Die-Kultur-Verteidigen“ genau das, was sie eigentlich wollen – nämlich die Kultur zu verteidigen. Dabei herrscht im Grunde Einigkeit in allen französischen Regionen, dass die vielen regionalen Sprachen und Kulturen verteidigt werden müssen. Nur in Paris macht das dem Zentralstaat Angst, der immer wieder auf den Artikel 2 der Verfassung pocht, der sagt „Die Sprache Frankreichs ist das Französische“. Das will niemand ändern, sondern um den unendlichen kulturellen Reichtum der Regionalsprachen erweitern. Doch dieses lobenswerte Vorhaben erreicht man nicht durch körperliche Angriffe, sondern durch einen politisch-gesellschaftlichen Dialog, idealerweise gemeinsam mit den anderen Regionen, die sich in der gleichen Situation befinden. Angriffe auf nicht genehme Politiker führen genau zum Gegenteil dessen, was eigentlich gewünscht wird. Und auch die Tatsache, dass die politischen Parteien dieses Thema so sträflich vernachlässigen, dass sich die Autonomisten immer mehr zur einzigen Partei hingezogen fühlen, die dieses Thema verteidigt, nämlich dem rechtsextremen Rassemblement National, ist ein Fehler.

Doch der Zwischenfall endete nicht mit dem Mehlregen und der coolen Reaktion von Jean Rottner – danach ging es auf dem Niveau einer Kneipenschlägerei weiter. Ein gewisser Christian Zimmermann, seines Zeichens Kandidat des rechtsextremen Rassemblement National, wollte die Szene mit seinem Handy fotografieren, woraufhin sich der konservative Abgeordnete Jacques Cattin auf Zimmermann stürzte und versuchte, diesem das Handy zu entreißen. Das ganze endete mit einer Schlägerei und einer Anzeige gegen Herrn Cattin.

War es die heiße Sonne des Elsass? Liegen inzwischen bei allen die Nerven blank? Offenbar drehen momentan, kurz vor den wichtigen Wahlen, ziemlich viele lokale und regionale Akteure durch. Bemerkenswert ist allerdings vor allem eines gewesen – die Reaktion von Jean Rottner, der zeigte, wie man mit solchen Leuten am besten umgeht: Indem man über sie lacht…

2 Kommentare zu Wahlkampf im Elsass – die Nerven liegen blank

  1. Meines Wissens ist Herr Zimmermann kein Mitglied von Unser Land sondern des RN.

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