Wahlkampf in Frankreich – niveaulos ist untertrieben…

Der französische Präsidentschaftswahlkampf findet auf einem Niveau statt, das die Bezeichnung „Niveau“ eigentlich nicht verdient hat. Die Franzosen können einem leidtun.

Wenn Frankreichs Linke überlegt, François Hollande wieder aus der Mottenkiste zu holen, sieht es wirklich ganz schlecht aus... Foto: Taoufik Kasmi / EJ / CC-BY-SA 4.0int

(KL) – Der Wahlkampf für das höchste französische Staatsamt läuft auf vollen Touren, auch wenn Präsident Macron immer noch nicht das Gefühl hat, seine Kandidatur erklären zu müssen. Doch ist weitgehend klar, wer am 10. April im ersten Wahlgang antreten wird und wenn man die Liste der Kandidaten und Kandidatinnen anschaut, kann einem angst und bange werden. Bei der Wahl zwischen Pest und Cholera zeichnet sich jetzt schon ab, dass einmal mehr die Nichtwähler die mit Abstand stärkste Wählergruppe stellen werden. Kein Wunder bei diesen Kandidaten.

Im Grunde würden alle Kandidaten ihre Chancen verbessern, würden sie einfach schweigen. Denn sobald sie den Mund aufmachen, hören die Franzosen eine erschreckende Mischung aus Inkompetenz, Arroganz und Ungeheuerlichkeiten, wie man sie in der V. Republik noch nicht gehört hat. Und bei allen wird klar, dass sie die Franzosen offenbar für Vollidioten halten. Was dann auch nicht so sonderlich motivierend ist, zur Wahl zu gehen.

Fangen wir bei der Konservativen Valérie Pécresse an. Pécresse tritt für „Les Républicains“ an, eine christlich-demokratische Partei, die eigentlich zumindest für die im Anschluss an die Präsidentschaftswahl stattfinden Parlamentswahlen Favorit war. Nur, mit jedem öffentlichen Auftritt disqualifiziert sich Pécresse ein Stückchen weiter. Die frühere Ministerin, die einst aus der Partei ausgetreten war, weil ihr diese zu weit „rechts“ war, dann aber schnell wieder eintrat, als sie die Möglichkeit sah, eine Kandidatur zu erhalten, legt gerade einen Diskurs an den Tag, der nur noch darauf abzielt, der rechtsextremen Konkurrenz Stimmen abzujagen. Doch will man wirklich eine „fachkundige“ Präsidentin, die sich öffentlich darüber beklagt, dass jedes Jahr „40 Millionen Flüchtlinge illegal nach Europa kommen“? Zur Information von Frau Pécresse: 2020 stellten 461.000 Flüchtlinge einen Asylantrag in Europa. Weltweit sind aktuell rund 82 Millionen Menschen auf der Flucht, wobei der allergrößte Teil so genannten „Binnenflüchtlinge“ sind, also Flüchtlinge, die innerhalb ihres Heimatlandes Schutz suchen. Dass Valérie Pécresse nun derartige Teufel an die Wand malt, wird allerdings nicht ihr, sondern ihrer rechtsextremen Konkurrenz Stimmen bringen.

Und die hat es in sich. Da wäre der Kandidat Eric Zemmour, der durchsetzen will, dass Menschen mit ausländisch klingenden Namen einen französischen Vornamen annehmen müssen (der Name Eric stammt übrigens aus dem Skandinavischen und ist alles andere als französischen Ursprungs), der auch gerne wieder in einer Gesellschaft leben würde, wo man Frauen im Bus oder der Straßenbahn an den Po greifen darf und der die Ansicht zum Besten gibt, das Vichy-Regime, das mit Hitler paktiert hatte, hätte „Juden gerettet“. Aber auch für derartigen Blödsinn finden sich inzwischen in Frankreich Claqueure.

Amtsinhaber Emmanuel Macron, der offenbar glaubt, dass ihm der Elysee-Palast aufgrund göttlicher Entscheidung ebenso rechtmäßig zusteht wie der Titel „König Europas“, hält es weder für nötig, mit seinen Landsleuten oder gar mit den Gegenkandidaten zu debattieren, und schickt stattdessen seine Adlaten an die Wahlkampffront. Doch wenn sein Innenminister Darmanin vollmundig erklärt, dass „es wohl keinen Franzosen gibt, der nicht der Auffassung sei, dass Macron ein hervorragender Präsident sei“, dann möchte man ihm am liebsten die aktuellen Umfragen erklären. Die sagen nämlich aus, dass momentan drei von vier Franzosen von diesem Präsidenten und seiner Truppe die Nase gestrichen voll haben.

Die andere Rechtsextreme, Marine Le Pen, hat aus ihren bisherigen Wahlniederlagen gelernt. Und hält sich dementsprechend weitgehend zurück. Hier und da ein wenig Gezeter, aber keine ernsthaften Ausfälle gegen den politischen Wettbewerb. Die Frau wartet still ab, schaut zu, wie sich ihre Konkurrenten um ihre Chancen reden und das ist wohl das Beste, was sie momentan tun kann.

Bei den „linken“ Parteien kommt gerade so etwas wie Endzeitstimmung auf. Dauerkandidat Jean-Luc Mélenchon liegt dabei noch am besten im Rennen und könnte auf 8 bis 10 % der Stimmen kommen, was ihm immerhin die Erstattung der Wahlkampfkosten bringen dürfte. Mehr allerdings auch nicht. Der Grüne Yannick Jadot liegt inzwischen ebenso wie die Gewinnerin der „linken Vorwahlen“ (an denen sich die anderen linken Kandidaten nicht beteiligten…) Christine Taubira unter 5 %, die eigentliche PS-Kandidatin Hidalgo ist inzwischen unter 2 % (!) gerutscht und wird gerade von den Vertretern verschiedener Splittergruppen überholt und die Verzweiflung ist im linken Lager so groß, dass gerüchteweise der frühere Präsident François Hollande ins Rennen einsteigen will. Um Hollande wieder aus der Mottenkiste zu holen, muss Frankreichs Linke allerdings wirklich sehr verzweifelt sein…

Und somit stehen rund drei Monate vor dem ersten Wahlgang zwei Dinge fest: 1. Gewinner der Wahl werden die Nichtwähler sein und 2. Wer immer diese Wahl gewinnt, wird von der erdrückenden Mehrheit der Franzosen nicht gewollt sein. Angesichts dieser Umstände werden sich die Parteien, ob sie das wollen oder nicht, komplett neu erfinden müssen und dann wird es höchste Zeit für die VI. Republik. Die V. Republik versinkt gerade in einem Sumpf der Korruption und der Eitelkeiten und hat definitiv ausgedient…

Kommentar hinterlassen

E-Mail Adresse wird nicht veröffentlicht.

*



Copyright © Eurojournaliste