„Was kann trauriger als ein Zug sein?“

Das Europäische Zentrum des deportierten Widerstandskämpfers (CERD) im ehemaligen Konzentrationslager Natzweiler-Struthof zeigt eine bewegende Ausstellung.

Gesichtslose Opfer im Viehwagen auf dem Weg in die Vernichtung, Ausschnitt aus einem Werk von Lola Granell. Foto: Centre Européen du Résistant Déporté

(KL) – In einer Zeit, in der viele leichtfertig das Wort „Krieg“ in den Mund nehmen, sollte man sich wieder einmal daran erinnern, was Krieg wirklich ist und welche Taten Menschen in völliger Verrohung im Krieg begehen können. Das Europäische Zentrum des deportierten Widerstandskämpfers (CERD) im ehemaligen Konzentrationslager Natzweiler-Struthof im Elsass ist ein Ort, an dem man dies hautnah erleben und reflektieren kann. Die Frage „Was kann trauriger als ein Zug sein?“, die der jüdische Wissenschaftler und Holocaust-Überlebende Primo Levi stellte, ohne darauf eine Antwort zu erwarten, ist der Titel einer bewegenden Ausstellung im CERD, in deren Rahmen vier europäische Künstler auf sehr unterschiedliche Weise versuchen, diese Frage zu verarbeiten.

Die englische Malerin Deborah Edwards fängt auf ihren Bildern die bedrückende Atmosphre des grauen Himmels über dem Stacheldraht des KZs ein, ihre Züge rollen hinein in eine Rauchfackel, die das Ende der menschlichen Zivilisation ist. Mit ihren Werken erweist Deborah Edwards den Opfern des Holocausts eine letzte Ehre, in der Hoffnung, dass die nachfolgenden Generationen verstehen, dass der Ausruf „Nie wieder Krieg“ keine Ausnahme duldet.

Aus einer anderen Perspektive nähert sich die spanische Malerin und Bildhauerin Lola Granell dem Thema. Die plastischen Gemälde von Lola Granell lassen viel Raum zur persönlichen Interpretation, doch alles, was man in den Bildern erkennt, ist der Schrecken der Deportation und der Züge in die Vernichtungslager. Ihre Züge fahren ins menschliche Elend und Versagen und können die Fragestellung von Primo Levi auch nur schweigend beantworten.

Der italienische Videokünstler Paolo Jamoletti hat das ehemalige KKZ Natzweriler-Struthof in Szene gesetzt, ohne Kommentare, ohne, dass man Menschen sieht. Die Stille und die Bilder lassen erahnen, dass dort, wo sich heute Menschen im Andenken verneigen, einmal Leben herrschte. Leben, das von Rassenwahn und Hass ausgelöscht wurde – und die Mahnung von Paolo Jamoletti ist von bedrückender Aktualität – die Geister dieser Zeit, von denen wir lange glaubten, sie wären überwunden, kommen in den letzten Jahren wieder ans Tageslicht. Und werden wieder bedrohlich.

Der französische Fotokünstler Didier Lemarchand hat Gegenstände fotografiert, die dem Zentrum von ehemaligen Deportierten zur Verfügung gestellt wurden. Dokumente, Postkarten, Gegenstände aller Art, mit denen er sich zwei Tage lang auseinandersetzte. Dabei tauchte er in den ganzen Schrecken des Naziterrors ein. „Ich habe die Nazi-Bürokratie gespürt, die industrielle Ausbeutung der Gefangenen und deren täglichen Überlebenskampf, ihren Willen zum Widerstand…“ – eine bedrückende Erfahrung.

Dieser Horror ist erst 70 Jahre her. Und heute drängen schon wieder die Nationalisten und Kriegstreiber an die Macht, Europa versinkt in nationalen Egoismen und Eitelkeiten und es ist fast so, als sei man dabei zu vergessen, wie schrecklich Krieg und extremistische Ideologien sind.

Der Besuch dieser bis zum 23.12.2016 dauernden Ausstellung ist frei, alle praktischen Informationen und viele Hintergründe finden Sie unter www.struthof.fr.

Kommentar hinterlassen

E-Mail Adresse wird nicht veröffentlicht.

*



Copyright © Eurojournaliste