Was Putin meint, wenn er von „Verhandlungen“ spricht

Die französischen Medien sind begeistert – nach offizieller Lesart hat Präsident Macron durch seinen Besuch in Washington Putin zu „Verhandlungen“ gezwungen. Was für ein Quatsch!

Das bräuchten momentan alle Beteiligten am Ukraine-Krieg am driingendsten... Foto: Digits.co.uk Images / Wikimedia Commons / CC-BY 2.0

(KL) – Man kommt schon gar nicht mehr mit dem Zählen hinterher – denn in den letzten Monaten hat sich der französische Präsident Emmanuel Macron so oft für den Durchbruch in der Ukraine-Krise selbst gefeiert, dass man fast das Gefühl bekommen könnte, der Krieg sei nun vorbei. Oder würde dank seiner genialen Interventionen gar nicht erst anfangen. Aber er hat angefangen und vorbei ist er noch lange nicht. Und die „Verhandlungen“, von denen Putin mit einem heftigen Kater nach seinem Besäufnis mit seinen Generälen am Vortag sprach, sind nicht „Verhandlungen“, wie man sich das im Westen vorstellt. Une einmal mehr feiert die französische (und gleichgeschaltete) Presse ihren Präsidenten ohne Grund. Aber Hauptsache feiern…

Dass Putin militärisch unter Druck steht, das erkennt jeder, doch dadurch ist der Krieg noch lange nicht für die Ukraine gewonnen. Und auch die Russen sind trotz aller militärischen Probleme nicht vollständig verblödet. Daher muss Putin nun Zeit gewinnen. Dabei sollte man seine Erwähnung (die noch nicht einmal ein Angebot war!) von Verhandlungen richtig einschätzen. Und nicht vergessen, dass Putin und seine Adlaten seit Monaten ziemlich konkrete Forderungen als Voraussetzung für Verhandlungen formulieren: endgültige Abtretung der Krim, Anerkennung der „Volksrepubliken“ Donetzk und Luhansk und noch ein paar weitere Dinge, die allesamt momentan nicht erfüllbar sind.

Nicht vergessen sollte man auch die russische Forderung nach „Sicherheits-Garantien“. Dabei ist das einzige Land in Ost-Europa, gegen das man Sicherheits-Garantien bräuchte, Russland. Es klingt also so, als seien „Verhandlungen“ in der aktuellen Lage bei der russischen Führung weder wirklich gewünscht, noch realistisch. Es sieht eher so aus, als bräuchten im hereinbrechenden strengen Winter 2022/23 beide Seiten eine Pause, um sich aufzuwärmen und neue Kräfte zu sammeln.

Auch unsere eigene Propaganda bringt nicht viel, denn die Jubelmeldungen, nach denen die Ukraine dabei ist, ihr besetztes Territorium zu befreien, kann die Meldungen nicht überdecken, nach denen praktisch die gesamte Versorgungs-Infrastruktur der Ukraine in Schutt und Asche liegt. Nächste Woche sollen die Temperaturen auf -15 Grad und noch darunter sinken – ob die Jubelmeldungen dann auch noch so klingen?

In der Zwischenzeit sieht man in Europa keinen Bedarf nach einer abgestimmten und folglich wirksameren Position zu diesem Krieg. Kein Wunder, dass Europa in diesem Krieg nur noch als Zahlmeister und vielleicht später als Zielscheibe eine Rolle spielt.

Seien wir ehrlich: Putin wird keine ernsthaften Friedensverhandlungen führen. Vielmehr sollte man genau auf die Worte der RT-Chefredakteurin und Putinvertrauten Simonyeva hören, die klar sagte, dass der Preis für die Rückeroberung der Krim der III. Weltkrieg sei. Das gibt die aktuelle russische Position wesentlich genauer wieder als die Vorstellung, Putin würde sich mit Selensky und dem Westen für Friedensverhandlungen an den Tisch setzen. Und langsam wird auch die Selbstbeweihräucherung des französischen Präsidenten peinlich, der alles daran setzt, als großer Mann der Weltgeschichte zu gelten. Geleistet hat er zum Thema Ukraine von dem, was er verkündet, leider nichts. Da wäre dann vielleicht ab und zu auch ein wenig Schweigen angesagt. Denn der Versuch, sich auf dem Rücken dieses furchtbaren Kriegs politische Vorteile zu verschaffen, das ist schon ziemlich widerlich.

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