Westliche Filter

Einmal mehr täuschen sich die westlichen Geheimdienste. Die für den 24. Februar, den Jahrestag des Angriffskriegs auf die Ukraine, erwartete Großoffensive der russischen Armee hat längst begonnen.

"Rote Linien" sind nur noch dazu da, überschritten zu werden. Foto: Massachusetts Bay Transportation Authority / Wikimedia Commons / PD

(KL) – Es ist wie in Afghanistan 2021. Damals erwarteten die immer so gut informierten westlichen Geheimdienste, dass die Taliban den strategisch so wichtigen Flughafen in Kabul am 11. September einnehmen, zum 20. Jahrestag der Anschläge auf das WTC in New York. Doch die Taliban hatten mit solchen Symbol-Terminen nichts am Hut und nahmen, für den Westen völlig unerwartet und überraschend, den Flughafen Kabul am 15. August ein. Die Fehleinschätzung der westlichen Geheimdienste kostete Tausende Afghanen das Leben, die für die westlichen Armeen gearbeitet hatten, da diese nicht mehr rechtzeitig das Land verlassen konnten. In der Ukraine ist es heute ähnlich.

„Russland wird zum 24. Februr, also dem Jahrestag der russischen Invasion, in der Ukraine eine neue Großoffensive starten“, so lautete die Einschätzung der westlichen Geheimdienste, insbesondere des britischen Geheimdienstes, der aus irgendeinem Grund sehr aktiv in der Ukraine ist. Doch wieder liegen diese Dienste falsch, denn diese Großoffensive hat längst begonnen. Es scheint sehr schwer zu begreifen zu sein, dass man in anderen Kulturen der Welt nicht dieses sehr westliche „Jahrestags-Gedöns“ mitmacht. Für eine realistische Einschätzung des Kriegsgeschehens wäre es durchaus hilfreich, würde man die Lage nicht danach einschätzen, was der Westen tun würde, sondern danach, wie die Lage vor Ort tatsächlich ist.

Glauben kann man in dieser Situation ohnehin niemandem mehr. Der russischen Propaganda ohnehin nicht, aber auch der ukrainischen und ebenso unserer eigenen Propaganda, die daher erforderlich ist, um auch bei uns das zu vermeiden, was speziell die Grünen so sehr fürchten – die „Kriegsmüdigkeit“. Um die Begeisterung für den Krieg aufrecht zu erhalten, wird eben gelogen, dass sich die Balken biegen. Hohe amerikanische Militärs erzählen dabei exakt das Gleiche, was auch die hohen russischen Militärs erzählen – nämlich dass man diesen Krieg bis zum Ende des Jahres gewonnen haben wird. Wer immer das in Zweifel zieht, gilt auf beiden Seiten als „Verräter“, „Freund des Feindes“ und so weiter. Und so geht das Lügen, Betrügen, Zerstören und Töten eben endlos weiter, zumal dieser Krieg ja auch vielen Parteien in die Karten spielt.

„Rote Linien“, die von der Politik immer wieder mit viel Kommunikation gezogen werden, sind nur noch da, um systematisch überschritten zu werden. So gehörten auch Kampfjets und Langstrecken-Raketen zu diesen „roten Linien“, von denen schon nach wenigen Wochen nichts mehr übrig geblieben ist. Und wenn der unsägliche Andreij Melnyk im ZDF großmütig erklärt, man fordere momentan (noch) keine NATO-Bodentruppen, dann führt dies nur zum Verdacht, dass in ein paar Wochen darüber diskutiert werden wird, welche NATO-Staaten wie viele Soldaten als Kanonenfutter in die Ukraine schicken dürfen. Und jede Wette – auch das wird als „alternativlos“ bezeichnet und von lauten „Hurra!“-Rufen begleitet werden.

Das nächste nächste „Highlight“ in dieser Kommunikations- und Propagada-Schlacht wird die Münchner Kriegskonferenz, pardon, die „Sicherheitskonferenz“ werden, die so organisiert ist, dass die Teilnehmer möglichst viel Druck auf China ausüben können. Bei dieser Konferenz wird der Vorsitzende der außenpolitischen Kommission der chinesischen KP teilnehmen, Wang Yi, und der Westen, wie immer durch seine eigenen Filter, hofft, dass man China auf die Seite des Westens ziehen kann. Was dann erneut eine unglaubliche Fehleinschätzung ist, denn die politische und wirtschaftliche Verflechtung zwischen China und Russland ist so, dass der Westen nur noch Zuschauer sein kann. Da hierfür in unseren Filtern kein Platz ist, ignorieren wir eben einfach, dass sich China eindeutig auf die Seite Russlands gestellt und die USA für den Ukraine-Krieg verantwortlich gemacht hat.

Leider sind wir inzwischen bereits an dem Punkt, an dem jede Seite an ihre eigene Propaganda glaubt und entsprechend handelt. Diejenigen, die dafür mit ihrem Leben bezahlen müssen, werden auf der Münchner Konferenz natürlich nicht vertreten sein – denn dort treffen sich nur diejenigen, die von diesem Krieg profitieren. Dieser Krieg wird nun von Eskalationsstufe zu Eskalationsstufe entwickelt werden und hinterher werden alle mit den Achseln zucken und erklären, dass es eben nicht anders ging. Wie 1914-1918. Wie 1939-1945.

4 Kommentare zu Westliche Filter

  1. Herr Littmann, was denken Sie wie viele Leute IHRER “Antikriegs-” Propaganda glauben werden?

    • Alleine die Sprache… Fakten (zu denen Sie übrigens nicht Stellung nehmen) als “Antikriegs-Propaganda” abzutun, das ist schon ein Zeichen der Zeit. Vor einem Jahr war es noch normal, gegen Krieg und für Frieden zu sein. Heute bringt einen das schon in den Verruf, “Putinfreund”, “die 5. Kolonne” und ähnliches zu sein, wenn man für Frieden und gegen einen als “alternativlos” verkauften III. Weltkrieg Stellung bezieht. O tempora, o mores…

  2. Die Sprache ist ganz einfach Deutsch. Und ich sehe keinen Grund, das zu verstecken!

    Was verstehen Sie unter “Fakten”? Ihre persönliche Wahrnehmung dessen, was Sie beschreiben oder das, was der durchschnittliche Tenor der weltweiten freien Presse und geflüchteter Menschen ist? Lassen Sie doch bitte diese Dialektik sein.

    Wir alle hätten nicht gedacht, dass so etwas möglich ist. Und trotzdem müssen wir uns den Realitäten stellen. Wenn von den seit 1 Jahr geschilderten Vorgängen im Ukrainekrieg, ich verzichte auf Aufzählungen, auch nur 5% der Wahrheit entsprechen, sieht es sehr düster aus.

    Und ich glaube keinem, schon gar nicht Ihnen, dass man Menschen mit solch bösen Absichten in irgendeiner Weise mit “Verhandlungen”, “tutschi-tatschi” und “Sanktionen” stoppen kann. Sie postulieren “einen dritten Weltkrieg” und nehmen das als Grund, auf dem Rücken Millionen Betroffener wegzuschauen. Wow.

    Die Idee des Appeasements ist historisch schon einmal gescheitert. Mit den bekannten Folgen, Sie nehmen hier ja zu Recht kein Blatt vor den Mund. Die Gegenidee des pazifistischen Miteinander ist lobenswert und absolut positiv, funktioniert aber leider nur, wenn alle nach den gemeinsamen Regeln spielen. Und dem ist zunehmend nicht mehr so!

    Wenn ausgeschert wird, funktionieren Ihre linken Theorien leider nicht mehr. Da kann man dann wegschauen und jammern, aber objektiv gesehen wird die Übergriffigkeit der Despoten von Tag zu Tag schlimmer.

    Die Lehre scheint klar. Wir brauchen Regeln des friedlichen Miteinanders und des demokratischen Diskurses, in deren Rahmen Konflikte zu lösen sind. Gewalt muss tabu sein. Wer aber Gewalt anwendet muss mit geballter Gegengewalt als Konsequenz rechnen. Nur dann schert keiner mehr aus.

    An dem Punkt stehen wir gerade und es ist zunehmend unübersehbar, dass jetzt endlich wirkmächtige Entscheidungen fallen müssen!

    Ich hoffe für alle Betroffenen, dass bald wieder bessere Zeiten anbrechen. Und alle diejenigen, die meinen, hier im bombensicheren “Westen” von “Kriegsrhetorik und Kriegstreibern” sprechen zu müssen, sollten mal verletzt ein paar hungrige Nächte im kalten ungeheizten Kellerbunker bei akuter Lebensgefahr verbringen.

    Es ist einfach ein Unterschied, ob man über eine “Macronie” und eine “verrottete 5. Republik” schreibt, oder ob man das Leiden vieler Menschen “wegverdrehen” will. Offen gesagt entsetzt mich Ihre Selbstgefälligkeit an dieser Stelle schon seit einiger Zeit.

    O tempora, o mores

    • Es ist nicht meine “persönliche Wahrnehmung”, dass sich die westlichen Geheimdienste in Afghanistan aufgrund einer falschen Einschätzung um ein paar Wochen zur Einnahme des Flughafens Kabul getäuscht haben. Es ist auch nicht meine “persönliche Wahrnehmung”, dass diese Fehleinschätzung einige Tausend Menschenleben afghanischer Hilfskräfte unserer Armeen gekostet hat. Es ist auch nicht meine “persönliche Wahrnehmung”, dass die gleichen Geheimdienste schon wieder falsch liegen, weil sie die neue russische Offensive am Jahrestag des völkerrechtswidrigen Einmarsches Russlands in der Ukraine vermuteten – diese Offensive hat bereits begonnen. Genau darum geht es in diesem Artikel, nämlich die Fehleinschätzungen der Lage durch einen “westlichen Filter”. Schade, dass Ihre Kommentare überhaupt keinen Bezug zum Inhalt dieses Artikels haben. Ansonsten, klar, wer der “freien westlichen Presse” huldigt, dem müssen solche Dinge ein Dorn im Auge sein. Aber noch leben wir ja zum Glück in einem Umstand der Meinungsfreiheit und das ist ganz gut so.

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