Wie immer – niemand will’s gewesen sein…

Experten rätseln, wer nun den Kachowka-Staudamm in der Ukraine gesprengt hat. Wie bei der Pipeline Nord Stream 2 beschuldigen sich alle Seiten gegenseitig…

Cherson steht unter Wasser und die Schâden sind kaum noch zu beziffern. Foto: serhiikorovayny / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 4.0int

(KL) – Während sich die Wassermassen flussabwärts den Dnipro entlang wälzen, unglaubliche Schäden verursachen und Menschenleben gefährden, läuft die übliche Schuldzuweisung. Die Ukraine sagt, dass die Russen den Staudamm Kachowka gesprengt haben, um eine ukrainische Gegenoffensive zu behindern, sagen die Russen, dass die Ukraine den Staudamm gesprengt hat, um die internationalen Hilfen in Form von mehr Waffen und Geld zu mobilisieren. Und nun kommt eine unabhängige Ermittlungsorganisation aus Russland, das „Conflict Intelligence Team“ (CIT) zu dem Ergebnis, dass der Hintergrund der Zerstörung dieses Staudamms nicht etwa ein direkter Angriff, sondern die „kriminelle Fahrlässigkeit der russischen Streitkräfte“ sei. Ähnlich wie bei Nord Stream 2 wird man wohl nie mit Gewissheit sagen können, wer es wirklich war. Nur – die Verantwortung für diese Katastrophe, die gerade einen großen Teil der Südost-Ukraine unter Wasser setzt, liegt eindeutig bei den Russen.

Die Zerstörung des Staudamms etwas nördlich der Oblast-Hauptstadt Cherson wurde laut des Berichts des CIT durch Minen ausgelöst, die von den Russen bereits im November letzten Jahres angebracht worden sein sollen. Diese sind nun nicht etwa explodiert, denn das konnten die Ermittler (und auch andere Geheimdienste) anhand von Satellitenbildern feststellen, auf denen zum Zeitpunkt des Dammbruchs keine Explosionen zu erkennen waren, sondern der Dammbruch ist laut diesem Bericht das Ergebnis von Schäden an den Schleusenportalen, die von den Russen bei einem temporären Rückzug im November letzten Jahres angerichtet wurden.

Der Vergleich der Satellitenbilder von drei Satelliten (Maxar, Planet und Sentinel) zeigen, dass sich seit November letzten Jahres die beschädigten Schleusentore nicht mehr bewegt haben, was laut CIT-Bericht darauf hinweist, dass die Russen seither den Pegelstand dieses 18 Milliarden Kubikmeter Wasser haltenden Stausees nicht mehr reguliert haben. Angesichts der bestehenden Schäden an den Schleusenportalen war es folglich nur eine Frage der Zeit, wann das ganz Bauwerk nachgibt und das ist nun geschehen.

Doch wer von Schuldzuweisungen spricht, braucht nicht lange zu suchen. Ohne den russischen Angriff auf die Ukraine hätte eine solche Situation gar nicht entstehen können und damit wäre die Frage der Verantwortung eindeutig beantwortet. Mehrere Expertenteams in verschiedenen Ländern kommen übrigens zum gleichen Ergebnis wie das CIT und halten eine willentliche Sprengung des Staudamms oder dessen Zerstörung durch einen gezielten Angriff für unwahrscheinlich.

Die Schäden, die durch diesen Dammbruch ausgelöst wurden, sind immens. Dieser Krieg läuft gerade völlig aus dem Ruder und es ist bitter festzustellen, dass sich die Welt täglich weiter von einer möglichen Lösung dieses Kriegs weiter entfernt. Niemand sollte sich der Illusion hingeben, dass dieser Krieg militärisch „gewonnen“ werden kann – die Niederlage aller Beteiligten (und die sind inzwischen viel zahlreicher als Russland und die Ukraine) ist fest programmiert. Doch bis man das merkt, muss die Katastrophe wohl erst eingetroffen sein.

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