Wie man eine gute Idee ruiniert

2022 war das 9-Euro-Ticket ein riesiger Erfolg auf mehreren Ebenen. Das dieses Jahr eingeführte Deutschlandticket verfehlt dagegen ein wichtiges Ziel. Und seine Finanzierung steht auf wackeligen Füssen.

Wer wenig oder nichts hat, der bekommt auch das hier nicht - schade. Foto: Sarang / Wikimedia Commons / PD

(KL) – Innerhalb eines Jahres wurde aus dem 9-Euro-Ticket das Deutschlandticket, das statt 9 Euro im Monat 49 Euro kostet, für sozial schwache Menschen gar nicht erst erhältlich ist und den Hauptaspekt, nämlich sozial schwachen Menschen das Reisen und damit die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben zu ermöglichen, verloren hat. Das Deutschlandticket wird wohl kaum eine Zukunft haben, denn der Bund weigert sich, längerfristige Zusagen für die Finanzierung zu machen, die angesichts leerer Kassen von den Ländern kaum gestemmt werden kann.

11 Millionen Menschen haben das Deutschlandticket-Abonnement abgeschlossen. Voraussetzung hierfür ist ein Bankkonto mit Karte, Internet und die Möglichkeit, jeden Monat 49 Euro von der Deutschen Bahn abbuchen zu lassen. Dass es in Deutschland immer noch rund 600.000 Menschen ohne Bankkonto gibt, dass rund 3 Millionen Menschen fernab vom Internet leben und es viele Menschen gibt, die sich ein solches Abonnement schlicht nicht leisten können, scheint dabei nicht zu interessieren. War der soziale Aspekt des 9-Euro-Tickets am Ende nur ein ungewollter Begleiteffekt?

Bis 2025 ist die Finanzierung in Höhe von 3 Milliarden Euro je zur Hälfte vom Bund und den Ländern gesichert. Für die 11 Millionen Abonnenten. Das ist zwar gut, denn das sind auch 11 Millionen Menschen, die ihre täglichen Fahrten nicht mit dem PKW absolvieren, doch ist es unendlich schade, dass eine der seltenen Aktionen, die sich gezielt an sozial schwache Menschen richtete, einfach unter den Teppich gekehrt wurde.

Es nützt nicht viel, wenn die Politik von „Inklusion“ redet, aber in der Praxis kein Geld dort ausgibt, wo es am meisten benötigt wird. Genau an solchen Stellen öffnet sich die Bresche, in der sich Rechtsextreme in die Gesellschaft mogeln. Und am Ende des Tages ist es eine politische Frage, denn die Deutsche Bahn ist nicht irgendein privates Unternehmen, sondern gehört zu 100 % dem Bund. Und der könnte als Eigner des Unternehmens sicher mehr darauf pochen, den sozialen Aspekt des schnell wieder abgeschafften 9-Euro-Tickets wieder in den Vordergrund zu stellen.

Mehrere Verkehrsminister der Bundesländer haben bereits angekündigt, bei unsicherer Finanzierung aus dem Deutschlandticket wieder auszusteigen. Doch das Verkehrsministerium sagt lediglich, dass alle Ressorts Sparvorgaben haben und deshalb eine langfristige Finanzierung kaum möglich sei.

So wird denn demnächst wieder verhandelt, es wird Kompromisse geben, die dieses ursprünglich tolle Projekt weiter verwässern und am Ende wird für diejenigen, die ein solches Angebot am meisten brauchen, nichts übrigbleiben. Eigentlich schade, hatten doch viele gedacht, dass endlich einmal ein gesellschaftliches Projekt eine echte Teilhabe für alle anstrebte. Und so wird dann der Sommer 2022, frei nach Enzensberger, nur ein „kurzer Sommer der Anarchie“ gewesen sein. Ab sofort heisst es nun wieder für weniger begüterte Menschen, dass sie eben daheim bleiben müssen. Stigmatisierung statt Inklusion – da sollte man sich allerdings nicht mehr wundern, dass sich immer mehr Menschen von der Politik abwenden.

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