Wird der Eurodistrikt doch noch ein Europäisches Laboratorium?

Bei den 12. Rendezvous Européens in Straßburg passierte Erstaunliches – der Eurodistrikt Straßburg-Ortenau könnte demnächst den Weg einer ganz neuen Transparenz und Bürgerbeteiligung gehen.

Am Oberrhein ist es wunderschön - und bald könnte hier etwas ganz Neues probiert werden. Foto: Baden de / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 3.0

(KL) – Der Vorschlag ist alles andere als neu – bereits seit vielen Jahren fordern Akteure und Beobachter des Eurodistrikts Straßburg-Ortenau, dass engagierten Bürgerinnen und Bürgern einige Sitze im „Eurodistriktrat“ eingeräumt werden, um eine bessere Schnittstelle zwischen der Gesellschaft und den Akteuren aus Politik und Verwaltung zu schaffen. Dazu würde damit die Stimme der Bürgerinnen und Bürger deutlicher zu hören sein – was ja dem entspricht, was alle fordern. Die Rückmeldung aus dem „wirklichen Leben“ könnte wiederum auch eine Bereicherung für die 50 Abgeordneten des Eurodistriktrats darstellen und damit rücken die Pfeiler der Gesellschaft, Bürgerschaft, Verwaltung und Politik ein Stückchen näher zusammen. Soweit die Theorie. In der Praxis wurde dieser Vorschlag von den Verantwortlichen nie ernsthaft erörtert. Doch das könnte sich jetzt ändern.

Der Weg hin zu einer Neuerung im Verhältnis zwischen Bürgerinnen und Bürgern, Politik und Verwaltung eröffnete sich im Rahmen einer Konferenz der 12. „Rendezvous Européens de Strasbourg“. Bei dieser Konferenz versuchten Luc Van den Brande, belgischer Ex-Minister und Berater für zivilgesellschaftliche Fragen von Jean-Claude Juncker, Ulrike Guérot, Autorin und Vorsitzende des Thinktanks « European Democracy Lab », Sylvain Waserman, Vizepräsident der französischen Nationalversammlung, Nawel Rafik-Elmrini, beigeordnete Bürgermeisterin von Straßburg und Jérémie Paret, Mitgründer und Chef von Civitech GetSitg zu klären, wie Demokratie horizontaler gestaltet und die Rolle der Bürgerinnen und Bürger im politischen Prozess gestärkt werden kann.

Im Rahmen der lebhaften Diskussion kam der oben beschriebene Vorschlag zur Sprache. Seit 10 Jahren regen Bürger, Publizisten und Vertreter von Vereinen an, dass die Vollversammlung des Eurodistrikts Straßburg-Ortenau zusätzlich zu den 50 Sitzen für elsässische und badische Abgeordnete auch ein paar Sitze für engagierte Bürgerinnen und Bürger schafft. Und nun, endlich, nach 10 Jahren, scheint die Zeit reif dafür zu sein, die Beziehung zwischen Politik, Verwaltung und Bürgerschaft mit einem neuen Element zu bereichern. Alle reden von Bürgerbeteiligung und die Stadt Straßburg könnte sie grenzüberschreitend einführen. Zumindest versprach Nawel Rafik-Elmrini, dass die diesen Vorschlag bereits bei der nächsten Sitzung des Eurodistriktrats vorlegen wird und nach dieser Ankündigung dürfte es schwierig werden, Argumente zu finden, um diesen Vorschlag abzulehnen. Denn wie soll man gleichzeitig das Hohelied der Bürgerbeteiligung singen und diese gleichzeitig ablehnen, wenn sie sich präsentiert?

Die „Gründerväter“ des Konzepts der Eurodistrikte, der deutsche Kanzler Gerhard Schröder und der französische Präsident Jacques Chirac wollten bei der Gründung des ersten Eurodistrikts zwischen Straßburg und der Ortenau vor allem eines – ein „europäisches Laboratorium“ einrichten, in dem das grenzüberschreitende Zusammenleben des 21. Jahrhunderts erprobt werden kann. Bislang leidet die Struktur dieses Eurodistrikts aber vor allem daran, dass sie nicht den verwaltungstechnischen Anforderungen eines Landes unterworfen ist, sondern von zwei Ländern, deren Verwaltungssysteme zu allem Überfluss auch noch hochgradig inkompatibel sind. An Innovationen konnte bislang in dieser Struktur nur sehr begrenzt gearbeitet werden. Insofern ist das mit dem „Europäischen Laboratorium“ noch reichlich theoretisch.

Doch sollte es nun gelingen, eine solche neue Form der Bürgerbeteiligung in einer grenzüberschreitenden Struktur einzurichten, könnte das „Europäische Laboratorium“ doch noch Wirklichkeit werden. Eine solche Einbindung der Bürgerschaft in den politischen Prozess wäre etwas, bei dem alle Beteiligten nur gewinnen können. Und damit hätte man dann auch die Antwort auf die Frage, wieso eigentlich Veranstaltungen wie die 12. Rendezvous Européens de Strasbourg organisiert werden – genau dazu, über neue Wege nachzudenken und wenn sich dann auch noch ein konkreter Weg eröffnet, auf dem neue Ideen umgesetzt werden können, dann ist das einfach gut. Eurojournalist(e) wird diesen Prozess begleiten und darüber berichten!

Kommentar hinterlassen

E-Mail Adresse wird nicht veröffentlicht.

*



Copyright © Eurojournaliste