Zurück in die Zukunft 6

Langsam führt das Geschacher um die europäischen Spitzenposten konkretere Formen an. Völlig losgelöst von Wahlergebnissen und anderen störenden Elementen, zimmern sich Europas Potentaten eine neue EU-Spitze.

Könnte als das "geringste Übel" dann doch Kommissionspräsident werden - Frans Timmermans. Foto: Michael Thaidigsmann / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 4.0int

(KL) – Das also ist die europäische Demokratie. Man lässt die Menschen wählen und erzählt ihnen, dass sie nicht nur das neue Europäische Parlament wählen, sondern auch den Präsidenten der Europäischen Kommission. Doch kaum war die Wahl gelaufen, begann ein Feilschen und Schachern, wie nach jeder Europawahl. Das Paket, das Europas Mächtige dabei zimmern, ist ein deutliches Signal: „Wir machen weiter wie bisher!“. Dass diese Taktik Europa gerade in die Katastrophe führt, scheinen ausgerechnet diejenigen nicht verstanden zu haben, die diese Katastrophe aufhalten könnten.

Das Paket, das gestern durchsickerte (und das heute und morgen schon wieder Makulatur werden könnte), sieht folgendes vor: Präsident der Kommission soll dann wohl doch und trotz aller Bedenken der Niederländer Frans Timmermans werden. Als Stellvertreter und braver Erfüllungsgehilfe von Jean-Claude Juncker hat der Mann genug Erfahrung, um zu wissen, wie es nicht geht. Dass er allerdings in den Jahren als Nummer 2 von Juncker nicht einmal gegen die Politik seines Chefs aufbegehrt hat, ist ein klares Zeichen – es geht so weiter wie bisher. Kontinuität ist durchaus eine gute Sache, allerdings nicht, wenn diese Kontinuität meint, dass man weiterhin am Thema vorbei arbeitet.

Damit seine dänische Konkurrentin Magrete Vestager, die viele gerne als Junckers Nachfolgerin gesehen hätten, nicht allzu enttäuscht ist, wird sie eben Erste Vizepräsidentin der Europäischen Kommission und damit Timmermans Stellvertreterin.

Manfred Weber, der schon fast sicher geglaubt Nachfolger Junckers, der aber keine Mehrheit auf europäischer Ebene fand, soll einen hübschen Trostpreis bekommen – als Präsident des Europäischen Parlaments. Warum nicht, immerhin kennt Weber die Abläufe im Parlament und offenbar ging es nicht ohne einen Spitzenposten für einen deutschen Kandidaten.

Der Posten des Präsidenten des Europäischen Rats, also die Nachfolge von Donald Tusk, ist für Kristalina Georgiewa aus Bulgarien vorgesehen. Die frühere Kommissarin für Humanitäre Hilfe und den Haushalt wäre somit die Repräsentantin der osteuropäischen Staaten im Konzert der Großen.

Als EU-Außenbeauftragter ist Belgiens Ministerpräsident Charles Michel vorgesehen. Der Liberale wird es als Nachfolger der glücklosen Federica Mogherini nicht sehr schwer haben, seine Vorgängerin schnell vergessen zu machen.

Das also soll der Deal sein. Eine hübsche Lösung, mit der offenbar alle leben können. Frankreich hat sich also erfolgreich gegen Manfred Weber an der Spitze der mächtigen Kommission durchgesetzt, ein Gesichtsverlust für Weber wird durch den Trostpreis „Präsidentschaft des Europäischen Parlaments“ vermieden. Und auch die anderen heißen Kandidatinnen und Kandidaten auf Spitzenposten gehen nicht ganz leer aus.

Über die Personen, die für diese Posten vorgesehen sind, kann man kontrovers diskutieren. Schlimm ist allerdings die Methode, mit der nach wie vor europäische Politik betrieben wird. In Brüssel wird gedealt, gefeilscht, gehandelt und mit dem politischen Willen der Europäerinnen und Europäer hat das alles nicht mehr viel zu tun. Das intergouvernementale Europa agiert weiterhin in einem Format der gegenseitigen Lähmung und die Tatsache, dass alle alles dafür tun, dass sich ja nichts an diesem Format ändert, macht wenig Hoffnung auf die kommende Legislaturperiode. Aber wer weiss – vielleicht präsentiert man uns schon heute ein ganz anderes Paket…

Die Europawahl 2019 in einer sehr angespannten Lage war eine Gelegenheit, bei der sich die europäische Politik den 500 Millionen europäischen Bürgerinnen und Bürgern hätte annähern können. Und schon am ersten Tag der neuen Legislaturperiode wird klar, dass auch diese Chance verpasst wurde. Der Apparat der europäischen Institutionen mit seinen rund 33 000 Beamten hat sich verselbstständigt und wird alles daran setzen, dass Europa in dieser Legislaturperiode nicht reformiert wird. So richtig optimistisch stimmt einen diese Entwicklung nicht…

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