Zwillinge – was sonst?!

Roger Federer gleich doppelt, Albert von Monaco – und jetzt auch George Clooney. Zwillinge zu bekommen scheint unter Promis mächtig in zu sein. Aber wie ist das eigentlich Zwillings-Vater zu sein? Lange Zeit gab es keine Lektüre über und für diese Spezies – das ist mittlerweile anders. „Ponyhof für Fortgeschrittene“ schließt die Lücke; und das auf ehrlich und süffige Art.

Eins bestellt, zwei geliefert - Zwillinge! Foto: TS

(Von Rafael V. Bergmann) – Es ist schon ein paar Jahre her, da hieß es auch für mich: „Rafael, wir bekommen Zwillinge!“ Ich kann mich noch gut an diesen Moment erinnern. Dieses Gefühl von „ja, und?!“ einerseits und „Oh, oh…“ andererseits. Mein Problem damals: Niemand konnte mir sagen, wie das denn ist, dieses Vatersein von Zwillingen. Denn es gab in meinem Umfeld ganz einfach keine Zwillingsväter, die ich hätte fragen können. Also schaute ich bei Amazon nach und tippte „Zwillingsvater“ ein. Das Ergebnis: kein Treffer. Zumindest kein richtiger.

Heute gibt es durchaus Zwillingsväter in meinem Umfeld. Einer von diesen erzählte mir von „Ponyhof für Fortgeschrittene“. Die Geschichte eines Zwillingsvaters über sein erstes Jahr mit seinen „AJs“, wie er seine eineiigen Zwillingstöchter Annika und Janina nennt. Das machte mich neugierig. Schon der Titel gefiel, auch das Layout mit dem stilisierten Pony kam unkonventionell und erfrischend daher.

Was den Autor Tillmann Schulze und mich verbindet: Wir sind beide in den späten 70ern geboren, wir mögen beide Fußball und wir trinken beide gern Bier. Was uns unterscheidet: Schulze hat eineiige Zwillinge, ich nicht. Schulze hat noch eine grosse Tochter, ich nicht. Schulze und seine Frau hatten keine Großeltern zur Unterstützung, wir schon. Und Schulze wohnt in der Schweiz, wir in Baden-Württemberg.

Auf der Ponyhof-Website findet sich neben dem Vorwort auch eine Kapitel-Übersicht. Spätestens nach dem Überfliegen der Überschriften war klar: Das Buch will ich lesen. „Bruchpilot“ klingt noch nicht besonders herausragend, den Namen „Rüdiger Nehberg“ hatte ich noch nie gehört und „Thomas D.“ ist für mich definitiv kein Sympathieträger. Aber dann: „Scottie Pippen“ war mir natürlich als früherer Fan der Chicago Bulls ein Begriff, „Predator“ erinnerte mich an unzählige VHS-Sessions im Teenageralter mit bleihaltigen Filmen. Und spätestens „Feierbiest“ ließ mich als eingeschworenem Fan von Bayern München dann den Kaufen-Button bei Amazon drücken. Was wohl hinter diesen schmackhaften Headlines stecken würde?

Ein paar Tage später bekam ich Post. Dann ging sie los, die Reise zum „Ponyhof für Fortgeschrittene“. Es dauerte nicht lang und ich war mittendrin und nicht nur dabei. Dort im Süden, in der Umgebung von Zürich, wo Schulze mit seiner Familie lebt. Ja, man taucht wirklich ein in die Zeit vor der Geburt und das erste Jahr danach. Und man ist von dem Buch schnell richtig gefesselt. Das liegt meines Erachtens vor allem an zwei Dingen: Zum einen an Schulzes Offenheit. Ganz ehrlich: Ich selbst hätte nie so frei vor einer mir unbekannten Öffentlichkeit über meine Gefühle schreiben können. Schulze lässt die Tränen fließen, zeigt seine immer wieder aufkeimende Zerrissenheit und auch seine Schwächen. Nein, er ist kein Supermann, sondern ein „normaler“ Zwillingsvater, der sich durch das erste Jahr kämpft – ohne den Humor zu verlieren. Und genau das ist der zweite Punkte, der für das Buch spricht: Das Buch ist unterm Strich einfach positiv und Schulze nimmt sich selbst nicht zu wichtig. Er steht zu seinen Schwächen und zu seinen Spleens. Er will nicht missionieren und zeigen „So müsst ihr das machen, liebe Zwillingsväter“. „Ponyhof für Fortgeschrittene“ ist seine ganz persönliche Geschichte. Und die macht Spaß und führte bei mir zu zahlreichen Déjà-vus. Zudem ist das ganze Buch immer wieder durchsetzt mit netten kleinen Zeitreisen.

Ich glaube, ich mochte den Ponyhof nicht zuletzt auch aus dem Grund, da ich diese Zeitreisen voll und ganz nachvollziehen konnte, da ich in einem ähnlichen Alter bin wie Schulze. Aber ich denke auch jüngere und ältere Mehrlingsväter haben ihren Spaß an dem Buch. Und wenn ich mir die Rezensionen anschaue, die sich auf der Ponyhof-Website finden, dann sind es auch einige Zwillingsmütter, denen das Buch ziemlich gut gefällt. Daher gibt’s vom Ponyhof vermutlich mittlerweile auch schon die 2. Auflage.

Also alles wunderbar auf dem „Ponyhof für Fortgeschrittene“? Nun, fast alles. So gelingt es Schulze eigentlich immer, die Kapitelüberschriften als Leitmotiv für den dann folgenden Inhalt zu verwenden. Das kommt meist wirklich gut und authentisch daher, bei den Kapiteln „Pionier“ und „Triple Gewinner“ gibt es aber ein paar Abzüge, das erscheint zum Teil doch etwas gesucht. Zudem kann ich es irgendwie nicht so ganz glauben, dass Schulze das Buch wirklich so nebenbei in Bus, Bahn und am Küchentisch geschrieben haben will. Aber vermutlich schwingt hier einfach etwas Neid mit, ich selbst hätte dies im ersten Jahr nie geschafft. Aber das ist es dann auch schon. Der Ponyhof gefällt einfach!

Fazit: „Ponyhof für Fortgeschrittene“ ist für mich das ideale, leicht zu lesende Buch für werdende Zwillingsväter und solche, die es schon sind, aber noch einmal eintauchen wollen in das erste Jahr mit dem doppelten Nachwuchs. Es ist eine gefällige Geschichte, garniert mit zahlreichen Tipps und Anekdoten. Mein Fazit: 1) Ich bin froh, dass wir die Großeltern in der Nachbarschaft hatten. 2) Ich bin froh in Deutschland zu wohnen, denn im Vergleich zu den 1+1 Tagen Urlaub, die Schulze bekommen hat, ist unsere deutsche Elternzeit fast schon dekadent. 3) Schulze hat auch nach dem ersten Jahr als Zwillingsvater den Humor nicht verloren. Die 2. Auflage des Buchs ist übrigens ergänzt um ein verlängertes Nachwort, das ein best-of der Jahre 2+3 umfasst. Und dieses Nachwort zeigt: Alles scheint gut geworden zu sein im Hause Schulze. Das sollte alle (werdenden) Zwillingsväter motivieren.

Am Schluss noch mal zurück zu George Clooney & Co. Diese Zwillingsväter werden wohl in ihrem ersten Jahr nie das mitmachen, was Schulze mitgemacht hat – oder was auch ich selbst zum Teil mitgemacht habe. Aber eines ist mir nach dem Lesen des Buches klar geworden. Eigentlich fehlt ihnen auch etwas: diese unendlich intensive Erfahrung als Zwillingsvater, die man nur erfährt, wenn man richtig viel Zeit – auch in den vielen durchwachten Nächten – mit dem doppelten Nachwuchs verbringt. Vielleicht sollte ich Schulze mal schreiben, er solle über eine Übersetzung des Ponyhofs ins Englische nachdenken. Vielleicht gibt’s dafür dann bis zum Lebensende Nespresso-Kapseln… Obwohl, die wird Schulze wohl gar nicht haben wollen. Warum? Dazu muss man den Ponyhof lesen!

Wichtige Links:

Die Ponyhof-Website
Der Ponyhof bei Facebook
Der Ponyhof bei Amazon

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