Allein gegen alle…

Emmanuel Macron ist wiedergewählt worden. „Ein Sieg für die Demokratie“, jubeln seine Amtskollegen. Zumindest für die Demokratie, wie Macron diesen Begriff versteht.

"Et pourquoi je ne ferai pas comme l'autre en face ? Ces trucs démocratiques ne sont qu'une perte de temps..." Foto: Kremlin.ru / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 4.0int

(KL) – Am Sonntagabend, nach Bekanntgabe seines Wahlsiegs, zeigte sich Präsident Emmanuel Macron noch sehr realistisch, als er erklärte, dass ihm bewusst sei, dass er deshalb wiedergewählt worden sei, weil viele Franzosen nicht für ihn, sondern gegen die Rechtsextreme Marine Le Pen gestimmt hatten. Er sei, so Macron, „der Verwalter dieser Stimmen“. Und, wie so oft, gelobte er Besserung, mehr Transparenz, mehr Demokratie. Wie bereits 2017 kündigte er auch an, dass „niemand auf der Strecke bleibt“. Was man halt so nach einem Wahlerfolg sagt. Seine „neue Bescheidenheit“ hielt gerade mal 48 Stunden an, dann war klar, dass die nächsten, auf deren demokratische Meinung er pfeift, ausgerechnet seine eigenen Parteimitglieder sind.

Der hoch seriöse Nachrichtensender „Franceinfo“ verkündete, dass sich Macron entschieden habe, die Kandidaten für die nun anstehenden Parlamentswahlen persönlich auswählen zu wollen. Das mag praktisch und zeitsparend sein, da er damit lange und zähe Diskussionen um Kandidaturen vermeidet, aber demokratisch ist das nicht, wenn der Präsident die Kandidaten bestimmt und die Meinung oder Wünsche der Parteimitglieder nicht zählen.

Dass sich der Präsident nicht verändern wird, haben nun auch seine eigenen Parteimitglieder erfahren, die bisher mit die Letzten waren, die im Laufe Macrons erster Amtszeit nicht Gegenstand seiner Missachtung und/oder Beleidigungen geworden waren. Dass er jetzt seiner eigenen Basis mitteilt, dass ihn ihre Meinung nicht interessiert, ist erstaunlich und nicht unbedingt ein Zeichen dafür, dass er sein Amt künftig mit etwas mehr Respekt für seine Landsleute ausüben will. Und schon fragen sich die ersten, wie es wohl in Frankreich in den kommenden fünf Jahren weitergeht, wenn er jetzt sogar schon sein eigenes Team so von oben herab behandelt.

Doch so, wie sich die Parlamentswahlen am 12. und 19. Juni ankündigen, war dieser erneute präsidiale Alleingang vielleicht doch nicht der Weisheit letzter Schluss. Denn ähnlich wie die Sozialistische Partei (PS) und die Konservativen (LR) könnten auch die Kandidatinnen und Kandidaten seiner Regierungspartei „La République en Marche“ (LREM, die sich auch nach 5 Jahren weiter als „Bewegung“ und nicht als „Partei“ bezeichnet) bei den Parlamentswahlen herbe abgestraft werden – es zeichnet sich eine Auseinandersetzung zwischen den links- und rechts-extremen Blöcken ab, zwischen denen die traditionellen Parteien endgültig zermahlen werden könnten.

Nach den ersten fünf Jahren seiner Amtszeit verspüren viele Franzosen wenig Lust, Emmanuel Macron ein zweites Mal einen Blankoscheck auszustellen, indem sie ihm erneut die Mehrheit im Parlament spendieren. Sollte am 19. Juni eine Mehrheit der Assemblée Nationale nicht hinter Macron stehen, was sehr wahrscheinlich ist, dann kommt es zur „Cohabitation“, in der Präsident Macron das Land gemeinsam mit einem Premierminister führen muss, der zur Opposition gegen den Präsidenten stammt. In einer „Cohabitation“ könnte Macron Frankreich nicht weiter nach Gutdünken führen, sondern müsste sich wieder an demokratische Spielregeln halten.

Nun wird alles relativ schnell gehen. Während die politischen Parteien jetzt ihre Kandidaten und Kandidatinnen für die Wahlen im Juni ermitteln, was ähnlich wie in Deutschland durch das Format „Vorstellung – Abstimmung – Festlegung der Kandidaten“ erfolgt, während Präsident Macron freihändig entscheidet, wer für seine Formation antreten darf, wächst die Katerstimmung in Frankreich und diese Entwicklung ist für die regierende Macron-Bewegung nicht gut. Denn die meisten derjenigen, die für ihn gestimmt hatten, um einmal mehr Le Pen zu verhindern, erinnern sich an die ersten fünf Jahre der „Macronie“, die von vielen Franzosen als die schlechteste Präsidentschaft der V. Republik betrachtet wird. Also werden viele Wähler versuchen, den Handlungsspielraum Macrons für die nächsten fünf Jahre dadurch einzugrenzen, dass er seine Politik mit einem Regierungschef aus einer anderen Partei abstimmen muss.

Sollte der Präsident allerdings die politischen Gepflogenheiten Frankreichs missachten und einen Premierminister ernennen, der keine Mehrheit im Parlament hat, würde dies in Frankreich als „Staatsstreich von oben“ betrachtet werden und üble Folgen haben. Die fünf Jahre des alleinherrschenden „Sonnenkönigs“ Macron sind vorbei, jetzt muss der Mann zeigen, wie gut er in einem demokratischen System ist, in dem er respektvoll mit politisch Andersdenkenden umgehen muss. Ob er respektvollen Umgang überhaupt kann, werden wir in den nächsten fünf Jahren erleben.

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