Amerikanische Kehrtwende im Fall Julian Assange?

Der amerikanische Präsident Joe Biden zieht offenbar in Erwägung, die Verfolgung und damit auch die Auslieferung von Julian Assange fallenzulassen. Neue Hoffnung keimt auf.

Durch eine Freilassung von Julian Assange könnte Joe Biden Punkte im Wahlkampf sammeln. Foto: The White House / Wikimedia Commons / PD

(KL) – Noch ist Julian Assange nach jahrelanger juristischer Schlacht nicht in die USA ausgeliefert worden. Mitten hinein in das Verfahren und die Einsprüche gegen die von den USA beantragte Auslieferung des australischen Whistleblowers kommt eine überraschende Nachricht aus Washington. Präsident Joe Biden zieht es in Erwägung, die Verfolgung von und den Auslieferungsantrag gegen Julian Assange fallenzulassen. Dies zumindest erklärte Biden beim Besuch des japanischen Regierungschefs Fumio Kishida in Washington.

In einer derart sensiblen Angelegenheit kommt es auf jedes Wort an und es ist interessant, wie Joe Biden sich äußerte. Auf die Frage, wie er zu der entsprechenden Bitte Australiens um Assanges Freilassung stünde, antwortete Biden „we are considering it“, was deutlich stärker ist als die Übersetzung, die man in den meisten Medien nachlesen kann. „We are considering it“ ist stärker als „we are thinking about it“, und bedeutet, dass man die Möglichkeit das Verfahren gegen Assange zu beenden, ernsthaft als Option diskutiert. „We are thinking about it“ wäre deutlich schwammiger und unverbindlicher gewesen und hätte sogar darauf hingewiesen, dass man diese Option überhaupt nicht ernsthaft diskutiert.

Dass Joe Biden diese überraschende Aussage nicht aus Nettigkeit und Menschenfreundlichkeit getätigt hat, ist klar. Der amtierende Präsident hat den heißen Atem seines Konkurrenten Donald Trump im Nacken und durch seine Ukraine- und Israel-Politik auch Teile seiner eigenen Partei gegen sich aufgebracht. Joe Biden braucht dringend positive Schlagzeilen und Rückmeldungen aus dem Ausland und da käme die Einstellung des politischen Verfahrens gegen Assange gerade Recht, denn dieser Schachzug würde in Europa, aber natürlich vor allem in Australien, medienwirksam bejubelt werden. Und das täte Joe Biden im Wahlkampf mehr als gut.

Australien argumentiert gegenüber den USA, dass es eine Ungleichbehandlung zwischen Julian Assange und der Whistleblowerin Chelsea Manning gebe, die Assange die Dokumente zugespielt hatte, anhand derer Assanges Plattform „Wikileaks“ amerikanische Kriegsverbrechen in Afghanistan und dem Irak dokumentieren konnte. Chelsea Mannings lange Haftstrafe wurde vom damaligen Präsidenten Barack Obama auf 7 Jahre reduziert und die Whistleblowerin kam 2017 wieder in Freiheit. Auf der anderen Seite drohen Assange in den USA 175 Jahre Gefängnis, was für Australien bedeutet, dass ein Verfahren gegen Assange nicht fair verlaufen kann.

Das sind zwar juristische Spitzfindigkeiten, bei denen es gar nicht darum geht, dass das Verfahren gegen Assange ein politischer Prozess gegen die Pressefreiheit ist, doch wenn diese Spitzfindigkeiten dazu führen, dass Julian Assange freigelassen wird und nicht sein Leben in einem britischen oder amerikanischen Hochsicherheits-Gefängnis endet, dann wäre das eine der besten Nachrichten des Jahres.

Hoffen wir, dass Joe Biden die Gelegenheit nutzt, um seinen Landsleuten und dem Rest der Welt zu zeigen, dass sich die USA auf demokratische Werte wie die Pressefreiheit stützen – und wenn es ihm ein paar Wählerstimmen mehr bringt, sollte das allen Beteiligten nur Recht sein. #freejulianassange

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