Ausgangssperren – und wie geht’s weiter?

Karl-Friedrich Bopp über die Ausgangssperre oder den „leichten Eingriff in unsere Grundrechte“

Nächtliche Ausgangssperren, Krawalle, Covid-19, Grundrechte - eine explosive Mischung, auch und gerade in den Niederlanden. Foto: Ministerie van Defensie / Wikimedia Commons / CC0 1.0

(Karl-Friedrich Bopp) – Regierungen in Europa greifen gerne zur Ausgangssperre als Mittel zur Bekämpfung der Covid-19-Pandemie. Doch die Anzahl der Bürger und Bürgerinnen wächst, die diesen Eingriff in das Grundrecht der Bewegungsfreiheit auch gerichtlich anfechten.

Das letzte Beispiel kommt aus den Niederlanden. Am letzten Dienstag hat ein Verwaltungsgericht in Den Haag die Ausgangssperre mit sofortiger Wirkung aufgehoben. Die Regelung blieb trotzdem in Kraft, da die Regierung im Eilverfahren die Aussetzung des Urteils erreichte. Aber nur bis zum gestrigen Freitag.

Ein ähnliches Urteil gab es kürzlich in Baden-Württemberg. Der Verwaltungsgerichtshof in Mannheim gab am 5. Februar 2021 einem Eilantrag gegen die nächtliche Ausgangssperre statt und setzte sie außer Kraft. Die Entscheidung ist rechtskräftig.

Die Gerichte folgten jedes Mal derselben Logik. Bei Einschränkung eines derartigen Grundrechts wie der Bewegungsfreiheit muss die getroffene Maßnahme „verhältnismäßig“ sein und es muss auf das jeweils „zur Verfügung stehende mildeste Mittel“ zugegriffen werden. Die Gerichte befanden jeweils, dass die am Tag übermittelten Covid-19-Infektionszahlen eine solche drastische Maßnahme wie ein nächtliches Ausgehverbot nicht rechtfertigen würde.

Und in der Tat. Bis heute wurde nirgendwo nachgewiesen, dass derjenige, der abends sein Auto für den nächsten Tag volltankt, das Infektionsrisiko erhöht. Und nun Hand aufs Herz, betrachten wir einen einsamen abendlichen Spaziergänger wirklich als einen Infektions-Superspreader? Die Ausgangssperren machen Bürger und Bürgerinnen zu Gefangenen in ihrer eigenen Wohnung. Können wir uns verbieten lassen, allein abends vor die Tür zu gehen?

Es scheint, dass die Verbots-Politiker erkennbar von „Verhältnismäßigkeit“ und „milden Mitteln“ im Zusammenhang von Grundrechten nichts mehr hören wollen.

Natürlich verfolgt die Verhängung der Ausgangssperre einen Zweck. Sie soll neue Covid-19-Infektionen verhindern. Nur, der Nachweis wurde hierfür bis heute nicht erbracht. Die Politik hat noch immer keine belastbaren Zahlen vorgelegt, die beweisen könnten, dass Ausgangssperren den Gesundheitsschutz erhöhen. Nur eines ist sicher: Die den Bürgern und Bürgerinnen weggenommenen Stunden bekommen diese nicht wieder zurück.

Erstaunlich in diesem Zusammenhang ist, dass aufgrund der durch Covid-19 entstandenen Allgemeinpsychose nur wenige ihre Stimme erheben, um gegen die Grundrechtseingriffe zu protestieren. Es muss einem regelrecht bange um das demokratische Bewusstsein von Bürgern und Bürgerinnen werden, wenn sie es hinnehmen, dass der einsame Abendspaziergang zur Stärkung des Immunsystems unter Strafe gestellt wird.

In den Niederlanden wurde die Regierung allerdings aufgeschreckt. Unmittelbar nach Inkrafttreten der Ausgangssperre kam es an mehreren Abenden in zahlreichen Städten zu solch heftigen Krawallen, wie sie das Land seit Jahren nicht gekannt hat. Trotzdem blieb die Regierung bei ihrer Entscheidung. Es wird sich zeigen, ob ihr das Gericht im Hauptverfahren gefolgt ist.

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