Bauerproteste – Frankreich versinkt im Chaos

Die Autobahnen von und nach Paris sind von wütenden Bauern blockiert, die gar nicht daran denken, ihre Proteste einzustellen. Und die Politik eiert wie meistens nur herum.

Tausende Traktoren sind auf dem Weg nach Paris. Foto: ScS EJ

(KL) – Die Antwort des Innenministers auf die Tausenden Traktoren, die aus allen Richtungen nach Paris rollen und bereits gestern die wichtigsten Zufahren zur Hauptstadt blockierten, war fast reflexartig – er mobilisierte 15.000 Polizisten, um die größte Lebensmittel-Plattform Europas, den Großmarkt in Rungis zu schützen. Nur, weder sind die protestierenden Bauern gewalttätig, noch haben sie vor, Rungis zu besetzen. Und Innenminister Darmanin wäre gut beraten, seine Prätorianer nicht auf die Bauern zu hetzen, die laut Umfragen die Sympathien von 87 % der Franzosen genießen.

Die „Belagerung von Paris“ könnte einige Tage dauern, nämlich so lange, bis die Regierung den Bauern Zusagen macht, die tatsächlich deren Lebensumstände verbessern. Und das wäre höchste Zeit, denn momentan leben 26 % der französischen Bauern mit einem Einkommen von 1160 € unter der Armutsgrenze. Und diese Bauern wird man nicht mit schwammigen und technokratischen Versprechungen abspeisen können, wie es der neue Premierminister Gabriel Attal am Freitag versuchte.

Die Bauern wollen, und wer will ihnen das verdenken, von ihrer Hände Arbeit leben können. Und so lange ein Viertel von ihnen das nicht mehr kann, zu einem Zeitpunkt, zu dem viele Bauern das Handtuch werfen (rund 20.000 jedes Jahr in Frankreich) und sich viele Bauern aus Verzweiflung umbringen, steht die Regierung in der Bringschuld. Je schneller man das in den Pariser Palästen der Macht versteht, desto besser.

Die protestierenden Bauern sind ausgezeichnet organisiert und sorgen für Gewaltfreiheit ihrer Bewegung. Da sind keine Black Blocks, da sind keine Schläger, da geht man respektvoll mit den Polizisten und den Ansprechpartnern aus der Politik um – aber dennoch wird diese Protestbewegung erst dann ändern, wenn sich für die Bauern nachvollziehbar abzeichnet, dass Maßnahmen getroffen werden, mit denen sich ihre Lebenssituation verbessert.

Und plötzlich steht die Landwirtschaft für die französische Politik „über allem“, nachdem die Forderungen und Sorgen der Bauern jahrelang schlicht ignoriert wurden. Doch jetzt ist es nicht mehr möglich, die Bauern auch weiterhin zu ignorieren.

Doch die „Macronie“ ist immer noch nicht in der Lage, angemessen auf die Bauern zu reagieren. So verkündete am Abend die Regierungssprecherin Prisca Thevenot stolz, dass ihr oberster Chef Macron 2017 drei Gesetze durchgeboxt habe, mit denen sich die Lage der Bauern entscheidend verbessert habe. Schade, dass die Bauern davon nichts mitbekommen haben, schade, dass der Präsident in dieser Situation nichts Besseres zu tun hat, als sich beweihräuchern zu lassen.

Ansonsten versucht die französische Politik, die Bauern auf den Gipfel in Brüssel am Donnerstag zu vertrösten, als ob Emmanuel Macron dort die PAC (gemeinsame Landwirtschaftspolitik) kippen könnte. Ganz offensichtlich spielt die Regierung auf Zeit, in der Hoffnung, dass den Bauern die Luft ausgeht. Dass man mit dieser Einschätzung in Paris allerdings falsch liegt, wird man in ein paar Tagen merken, denn die Bauern sind sehr gut organisiert und entschlossen, ihre Protestaktionen und Blockaden so lange fortzuführen, wie das nötig ist.

Gestern fanden parallel zu den Blockaden der Bauern auch Protestaktionen der Pariser Taxifahrer statt und je länger diese Proteste andauern, desto mehr Berufsstände werden merken, dass man die Regierung durch solch massive Aktionen zum Handeln bringen kann. So kurz vor den Olympischen Spielen steht Frankreich mitten in einer Sozialrevolte, der weitere Unruhen folgen werden.

Und Premierminister Attal wird sich für seinen neuen Job und das rätselhafte Schweigen seines Chef bedanken. Doch auch das ist nichts Neues, denn immer, wenn es in Frankreich brennt, fährt der Präsident ins Ausland, wie auch jetzt am Donnerstag. So oder so, diese Proteste werden erst dann enden, wenn es konkrete Ergebnisse gibt. Fortsetzung folgt.

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