Frankreich beschließt sein „Energiewendchen“…

Das gestern vom französischen Parlament beschlossene Gesetz zur Energiewende bietet der französischen Regierung einen großen Vorteil: Niemand muss etwas tun.

Ob eines Tages Solaranlagen wie Thémis die Atomkraft in Frankreich ablösen werden, steht in den Sternen. Foto: Thémis Solaire Innovation / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 3.0

(KL) – Das neue Gesetz zur Energiewende, das gestern vom französischen Parlament beschlossen wurde, definiert ambitionierte Ziele, doch hat das Ganze einen riesigen Haken – in der Amtszeit der Sozialisten in Frankreich, die aller Voraussicht nach 2017 deshalb enden wird, weil kaum ein Wahlversprechen gehalten wurde, wird nichts mehr passieren. Nachdem sich langsam auch herauskristallisiert, dass es diese Regierung nicht einmal schaffen wird, den ältesten Meiler Frankreichs in Fessenheim zu schließen, wird deutlich, dass es sich, wie so oft, um reine „politische Kommunikation“ handelt. Dabei pfeifen es die Pariser Spatzen von den Dächern – die Energiepolitik in Frankreich wird nicht etwa von der Regierung, sondern vom Staatsmonopolisten EdF gemacht. Der sich vermutlich ganz darauf verlässt, dass die nächste Regierung dieses Gesetz gleich wieder einkassieren wird.

Doch irgendetwas musste das völlig von der Atomkraft abhängige Frankreich vor dem Weltklimagipfel im Dezember in Paris (COP21) unternehmen, um als Gastgeber einer Klimakonferenz nicht nur peinlich dazustehen. Und die im Gesetz verankerten Ziele klingen wirklich toll: So sollen bis 2030 die Treibhausgas-Emissionen um 40 % im Vergleich zu 1990 gesenkt werden, bis 2050 soll der Energieverbrauch um 50 % sinken (wobei als Zwischenziel der Verbrauch bis 2030 um 20 % gesenkt werden soll), bis 2030 soll der Anteil fossiler Energieträger im Energiemix um 30 % reduziert werden und bis 2030 sollen erneuerbare Energien 32 % des Verbrauchs abdecken. Klingt klasse. Einziger Haken – bis zum Ende ihrer Amtszeit wird sich die aktuelle Regierung darauf beschränken, sich im Licht dieser Absichtserklärung zu sonnen, ohne selbst aktiv werden zu müssen. Was uns am Oberrhein vermutlich eine strahlende Zukunft Fessenheims so lange garantieren wird, bis das Ding irgendwann explodiert. Die französische Energierwende findet also nur auf dem Papier statt und auch nur so lange, bis die nächste konservative Regierung das verabschiedete Gesetz wieder rückgängig machen wird.

Das, was Präsident Hollande vollmundig als „eine der großen Baustellen seiner Amtszeit“ verkündet hatte (ebenso wie die Senkung der Arbeitslosenzahlen oder das Ende der Wildwest-Spekulation der Banken…), dient vor allem einem Zweck – Frankreich will sich auf dem Weltklimagipfel als „exemplarisch“ präsentieren (wie Umweltministerin Ségolène Royal stolz verkündete), was umso schöner ist, als dafür nichts, aber auch gar nichts getan werden muss. Die Regierung kann ihre Amtszeit in Ruhe aussitzen und danach kann es ihr ehrlich egal sein, was ihre Nachfolger mit diesem „Energiewendchen“ anfangen.

Man kann diese „Energiewende“ auch anders lesen – nämlich als Freifahrschein für die Atomkraft für noch mindestens eine ganze Generation. Da liest man dann doch deutlich die Handschrift des Staatsmonopolisten EdF, der im Alleingang entschied, dass eine Schließung Fessenheims nicht in Frage kommt. Prompt erlaubte Umweltministerin Royal dem Konzern, für den Start des neuen Katastrophen-AKWs in Flamanville (das bereits vor der Aufschaltung auf das Netz eine Panne nach der anderen produziert), sich selbst aussuchen zu dürfen, welches der 56 anderen französischen AKWs geschlossen werden soll. Klar, dass EdF nicht etwa Fessenheim schließen wird, das mit zwei Reaktoren natürlich deutlich rentabler ist als andere Anlagen mit nur einem Reaktor – was allerdings Ségolène Royal in tapferer Verkennung der Realitäten nicht daran hinderte, sich selbst als diejenige zu feiern, „die als einzige in der Lage sei, AKW-Betreiber und AKW-Gegner zu einen“. Wie sie auf so einen Quatsch kommt, weiß sie vermutlich nur selber. Ach ja, politische Kommunikation…

In den letzten Jahrzehnten hatte keine französische Regierung ein einfacheres Umfeld – die Sozialisten dominieren das Parlament und den Senat, stellen in 21 von 22 Regionen die Regionalregierung und hätten die Möglichkeit gehabt, Frankreich neu auszurichten – doch stattdessen wird diese Regierung als diejenige in die Geschichte eingehen, welche die meisten Wahlversprechen gebrochen hat.

Die nun beschlossene „Energiewende“, mit der, natürlich nach dem nächsten Wahltermin, 100.000 „grüne“ Arbeitsplätze entstehen sollen, verdient diese Bezeichnung eigentlich nicht. Und plötzlich merkt man, dass François Hollande im Grunde seines Herzens ein überzeugter Gaullist sein muss – denn war es nicht der General, der den Satz prägte: „Wahlversprechen verpflichten nur diejenigen, die an sie glauben“? 2017 wird dann auch Hollande verstehen, dass leere Versprechungen nur dazu ausreichen, ein einziges Mal gewählt zu werden. Ein zweites Mal werden die Franzosen dieser Regierung keinen Auftrag erteilen. Was allerdings angesichts der Alternativen auch keine erfreuliche Perspektive ist.

Kommentar hinterlassen

E-Mail Adresse wird nicht veröffentlicht.

*



Copyright © Eurojournaliste