Das Drama um das französische Atomkraftwerk EPR Flamanville

In Deutschland haben wir den Berliner Flughafen BER oder den Stuttgarter Tiefbahnhof „S21“, aber auch die Franzosen haben ihre Megaprojekte, die nicht funktionieren – wie das EPR Flamanville.

Was für uns BER und S21 sind, ist für die Franzosen das Atomkraftwerk Flamanville - ein Milliardengrab... Foto: schoella / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 3.0

(KL) – Auch die Franzosen haben Großprojekte, die so gar nicht klappen wollen und deren Kosten so exponentiell steigen, dass sie nach Fertigstellung keine Chance mehr haben, in die Gewinnzone zu klettern. Das beste Beispiel dafür ist der immer noch nicht fertiggestellte Atomreaktor EPR Flamanville in der Normandie, dessen Kosten von 3 Milliarden € auf inzwischen 13,4 Milliarden € explodiert sind, ohne dass absehbar wäre, ob und wann das EPR Flamanville tatsächlich ans Netz gehen kann. Und das, was ein neuer Bericht über Flamanville sagt, ist vernichtend: „Scheitern und Verschwendung“, kann man da lesen.

„Man hat das Gefühl, in einer Sackgasse angekommen zu sein“, kommentiert der Verein „négaWatt“ diesen Bericht. Der wissenschaftliche Berater dieses Vereins und Direktor der Forschungsagentur „Wise-Paris“, Yves Marignac, geht noch einen Schritt weiter: „Wirtschaftlich und umweltpolitisch gibt es künftig keinen Platz mehr für neue Nuklearprojekte“ – und diese Aussage ist in einem Land, dessen Staatscredo die Atomkraft ist, geradezu revolutionär.

Hat Frankreich mit der Atomkraft am Ende auf das falsche Pferd gesetzt? Die Argumente für die Nutzung der 57 französischen Atomkraftwerke sind nach wie vor der geringe Strompreis und die ebenso geringen CO2-Emissionen im Vergleich zu anderen Energieträgern. Doch diese Rechnungen sind bereits in sich falsch – der niedrige Strompreis in Frankreich berücksichtigt nämlich einen wichtigen Kostenfaktor überhaupt nicht – die Kosten für den irgendwann erforderlichen Rückbau dieser Anlagen und vor allem, die Lagerung der Atomabfälle für eine Dauer von 25.000 Jahren. Doch sobald das nukleare Zeitalter ausläuft, werden diese Kosten auf die französischen Stromkunden zukommen und dann wird die Wirtschaftlichkeit der Atomkraft ganz neu bewertet werden müssen. Auch das Argument der „sauberen Energie“ ist nur teilweise zutreffend – weltweit werden lediglich 3 % des Stromverbrauchs von Atomkraft abgedeckt und angesichts der riesigen Anstrengungen in anderen Ländern, die Erneuerbaren Energien weiterzuentwickeln, ist das Beharren auf der Atomkraft eine ziemlich anachronistische Haltung.

In Flamanville ist allerdings auch von Anfang an ungefähr alles schief gelaufen, was schieflaufen kann. Zunächst wurde das Kühlbecken für die Brennstäbe, das Herzstück der Anlage, mit Materialien gebaut, die nicht den Hitzenormen für die Temperaturen entsprechen, die in diesem Becken beim Abkühlen der nuklearen Brennstäbe entstehen. Da dieses fest verbaute Element allerdings nicht einfach wieder ausgebaut werden kann, sondern einen kompletten Rück- und Neubau der Anlage erfordert hätte, wurden kurzerhand die Temperatur-Grenzwerte für die verwendeten Baumaterialien modifiziert, damit es wenigstens auf dem Papier klappt. Sollte Flamanville doch noch eines Tages ans Netz gehen, möchte man nicht in der Haut desjenigen stecken, der auf den Start-Schalter der Anlage drücken muss…

Dazu kamen endlose weitere Probleme mit dem Bau. Kurz vor der geplanten Inbetriebnahme zeigte eine Überprüfung, dass die Schweißnähte der Anlage fehlerhaft ausgeführt waren und komplett neu gemacht werden mussten. Zahllose kleinere Probleme tauchten immer wieder auf und das Ergebnis ist, dass in den Sternen steht, ob Flamanville eines Tages ans Netz geht oder nicht.

Die Kostenexplosion von 3 auf 13,4 Milliarden Euro stellt natürlich auch generell die Wirtschaftlichkeit einer solcher Anlage in Frage, denn um einen Gewinn von 13,4 Milliarden Euro zu erzielen, müsste Flamanville bis zum Nimmerleinstag laufen – und dann erst fallen die richtig hohen Kosten für die Endlagerung an.

Momentan ist völlig unklar, was mit diesem Milliardengrab passieren soll. Und ebenfalls unklar ist, ob diese Situation am Ende nicht doch Auswirkungen auf die geplante Schließung von Fessenheim haben wird, denn bislang hieß es immer, dass Fessenheim abgeschaltet wird, sobald Flamanville am Netz ist.

Langfristig wird das französische Atom-Credo die Franzosen noch mächtig belasten, denn sobald die ersten AKWs schließen werden, rollt die Kostenlawine an und diese Kosten werden von den französischen Verbrauchern zu zahlen sein. Man darf gespannt sein…

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