Das Ende der Geothermie nördlich von Strasbourg

Geothermie durch Tiefenbohrung à la Fonroche – der Albtraum ist beendet

So sinnvoll die Geothermie auch ist - wenn Bohrungen zu Erdbeben führen, müssen sie sofort eingestellt werden. Foto: AnRo0002 / Wikimedia Commons / CC0 1.0

(Karl-Friedrich Bopp) – Am 4. Dezember 2020 um 6:59 Uhr bebte die Erde in Strasbourg mit der Stärke 3,5 auf der Richterskala. Und wieder konnte das Epizentrum des Bebens schnell ermittelt werden. Es lag erneut in der Nähe von Vendenheim, dort, wo die Firma Fonroche Tiefenbohrung betreibt, um in der Zukunft mit Hilfe von Geothermie Haushalte zu wärmen und Elektrizität zu liefern. Es war das berühmte Beben zu viel. Die Reaktion der staatlichen Stellen ließ dieses Mal nicht lange auf sich warten. Präfektur und Eurometropole von Strasbourg erklärten noch am frühen Nachmittag desselben Tages die Testbohrungen für beendet.

Die Firma Fonroche hatte im Jahre 2016 von der Präfektur die Erlaubnis für die notwendigen Tiefenbohrungen erhalten. Schon damals wehrten sich Bürgermeister und Gemeinderäte der umliegenden Gemeinden. Die Bevölkerung bekam einen ersten Schreck am 12. November 2019, als die Erde mit der Stärke 3,1 auf der Richterskala bebte. Fonroche bemühte sich, das Beben als „natürlich“ darzustellen. Experten sahen klare Hinweise, dass das Beben durch „menschliche Einwirkung“ verursacht war – also klar durch die Tiefenbohrung verursacht. Die Arbeiten wurden bis auf weiteres ausgesetzt.

Schließlich gab die Präfektur letzten September die Erlaubnis, die Testbohrungen wiederaufzunehmen, um die Ursache des Bebens vom November 2019 zu ergründen. Lange dauerte es nicht, bis Mitte November die Erde wieder mit kleineren Beben zu zittern begann – allerdings stark genug, um die Anrainer mehr als zu beunruhigen.

Die Verantwortlichen von Fonroche merkten, dass einfaches Abwarten auf die nächste Erlaubnis der Präfektur nicht mehr ausreichen würde. Die Firma ging – endlich – in die Kommunikationsoffensive. Am Donnerstag, den 19. November 2020, stellten sich die Verantwortlichen den Fragen des Gemeinderates von Kilstett. Die übermittelten Sorgen sind nachvollziehbar. Bedenken der Bürger und Bürgerinnen um den Bestand ihrer Häuser. Ist gar die Trinkwasserqualität in Gefahr? Die gewählten Vertreter malten das Schreckensbild von Lochwiller, wo Risse in den Wänden die Häuser unverkäuflich machten.

Am Samstag, den 28. November 2020, wurde eigens eine Anhörung mit den gewählten Mitgliedern des Rates der Eurometropole von Strasbourg anberaumt. Neben Vertreter von Fonroche gab auch die verantwortliche staatliche Stelle Auskunft (Regionaldirektion für Umwelt, Planung und Wohnungswesen – DREAL). Eine allgemein zugängliche öffentliche Anhörung ist für den 11. Dezember 2020 geplant. Inwieweit das jetzt noch Sinn macht, ist fraglich.

Schade ist nur, dass durch die von der Firma Fonroche benutzte Technik, gepaart mit der mangelnden Kommunikation, eine Energieform der Zukunft in Verruf gebracht worden ist. Durch Tiefenbohrung erzeugte Geothermie ist immerhin eine der großen Hoffnungsträger für erneuerbare Energien. Wird die Energie sicher an die Oberfläche gebracht, kann sie in Strom umgewandelt werden oder alle Arten von Gebäuden erwärmen. Im konkreten Fall sollte immerhin für bis zu 20 000 Haushalte Strom und Wärme für 26 000 erzeugt werden.

Inzwischen hat die Eurometropole von Strasbourg angekündigt, einen unabhängigen Wissenschafts- und Bürgerrat einzuberufen, der den Auftrag bekommen soll, die notwendigen Informationen zusammen zu tragen und deren Evaluierung vorzunehmen. Mit anderen Worten: Das Geschehene soll jetzt mit der notwendigen Transparenz aufgearbeitet werden. Aufgrund der geographischen Lage des Elsass sollte dieses Gremium jedoch aus Wissenschaftlern und Bürgern von beiden Seiten des Rheins bestehen, da die Vorkommnisse, genauso wie die gewonnenen Erkenntnisse, eindeutig einen grenzüberschreitenden Charakter haben. Sie sind auch von großem Interesse für die Bevölkerung und die politisch Verantwortlichen in Baden.

Bleibt die Frage, ob es diesem Gremium gelingen wird, das verlorene Vertrauen der verunsicherten und verschreckten Bevölkerung in die Geothermie wieder zurückzugewinnen.

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