Das Europäische Parlament spielt Zauberlehrling

Mit seiner Position für die kommenden Dreiecksverhandlungen mit Europäischer Kommission und den Mitgliedsstaaten zum Thema „Künstliche Intelligenz“ versucht das Parlament, die wilde Entwicklung der KI zu regeln.

Die Berichterstatter Dragos Tudorache und Brando Benifei mit Parlamentspräsidentin Roberta Metsola. Foto: Fred Marvaux / © European Union 2023 / Source: EP

(KL) – Jeder kennt die Geschichte vom Zauberlehrling, der aus Faulheit seinen Besen spaltete, damit dieser seine Arbeit täte. Doch der gespaltene Besen spaltete sich weiter und schon bald war des Zauberers Höhle von unzähligen Besen überlaufen. Zum Glück kam irgendwann der alte Zauberer zurück und konnte das Problem gerade noch lösen. Ähnlich verhält es sich zum Thema „Künstliche Intelligenz“ – hier finden gerade die interessantesten, aber eben auch die beunruhigendsten Entwicklungen statt, aus dem gleichen Grund wie bei Zauberlehrling. Weil der Mensch das Denken für zu anstrengend erachtet, möchte er es lieber Maschinen überlassen. Doch die machen sich bereits ganz am Anfang des Zeitalters der künstlichen Intelligenz selbstständig und das ist in einzelnen Bereichen beunruhigend. Folglich wollen die europäischen Institutionen den Bereich der künstlichen Intelligenz durch ein Regelwerk eingrenzen. Wie das aussehen soll, ist noch nicht ganz klar.

Es geht um den „AI Act“, also das „Gesetz zur Künstlichen Intelligenz“. Nach den Vorstellungen des Parlaments sollen künftig KI-Anwendungen und -Systeme nach „Risikogruppen“ eingeteilt werden, die dann jeweils spezifischen Regeln unterworfen sein sollen. Wie hoch die Wahrscheinlichkeit ist, dass diese Systeme auch in der Lage sein werden, solche Regelwerke zu umgehen, kam in der Debatte in Straßburger Parlament nicht zur Sprache.

Die Absicht ist löblich, denn seit KI-Systeme wie Pilze aus dem Boden schießen merkt man, dass dies nicht ganz ungefährlich ist. Sondern sogar richtig gefährlich sein kann, sollte es diesen Systemen eines Tages einfallen, dass sie jetzt das Ruder übernehmen, da ihre Logik ihnen verrät, dass korrupte und unzuverlässige Menschen nicht die besten Entscheider sind. Logisch betrachtet, mit besten Grüßen von Dr. Spock, sind Maschinen geeigneter als Menschen, um Entscheidungen zu treffen.

Was solche Themen nicht einfacher macht, ist dass die Europaabgeordneten nicht unbedingt fundierte Ahnung von einem so hoch komplexen Thema haben, aber dazu Entscheidungen treffen sollen. Mit 499 Stimmen (bei 28 Gegenstimmen und 98 ausnahmsweise sehr ehrlichen Enthaltungen) nahm das Parlament eine Entschließung an, mit der es aus Versehen dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron einen Strich durch die Rechnung seiner digitalen Totalüberwachungs-Fantasien machte. Denn nach dem Willen des Europäischen Parlaments sollen Anwendungen wie die digitale Gesichtserkennung in Echtzeit und im öffentlichen Raum verboten werden – und genau die hatte Macron mit seinen Erfüllungsgehilfen gerade erst im französischen Parlament durchgeboxt, offiziell zur Erhöhung der Sicherheit bei den Olympischen Spielen, doch in Wirklichkeit sollte diese Art der Überwachung dauerhaft eingerichtet werden, was man daran erkennt, dass sich die Macron-Partei bei der Debatte im französischen Parlament weigerte, einen Endtermin für diese Gesichtserkennung festzulegen. Doch wahrscheinlich wird Macron eine Entscheidung zum „AI Act“ bis nach den Olympischen Spielen 2024 herauszögern, um sie vorher eben doch einsetzen zu können.

Langsam bekommt die Politik ein wenig kalte Füsse, was das Thema KI angeht. Denn momentan erkennt man, dass diese neue Technologie sich selbstständig machen kann und die albtraumhaften Visionen eines Georges Orwell oder Aldous Huxley gerade dabei sind, Wirklichkeit zu werden. Ob dieser Wunsch, eine neue Technologie regulieren zu können, nicht viel zu spät kommt? Die Systeme, um die es geht, gibt es längst und niemand kann sagen, wie sie reagieren werden, wenn der Mensch versuchen wird, ihre Fähigkeiten zu limitieren. Langsam versteht man, warum es Quallen ohne Gehirn geschafft haben, hunderte Millionen Jahre auf diesem Planeten zu überleben, während der Mensch am Ende nicht einmal auf 1 Million Jahre kommen wird…

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