Der deutsche Widerstand

Am 20. Juli gedenkt man des gescheiterten Attentats auf Adolf Hitler. Die Gruppe um Claus Graf Schenk von Stauffenberg ist das Aushängeschild des „deutschen Widerstands“ geworden. Zu Recht?

Da staunten Hitler und Mussolini, dass man ein solches Attentat überleben kann. Foto: Bundesarchiv Bild 146-1970-097-76 / Wikimedia Commons / CC-BY-SA 3.0

(KL) – Der Gedenktag des 20. Juli wirft selbst heute noch zahlreiche Fragen auf. Denn das Attentat und der dazugehörige Putschplan, die „Operation Walküre“, wurden von hohen Militärs und Verwaltungsspitzen getragen, die bis 1944 noch selbst zu den Stützen des Nazi-Apparats zählten. Der Umsturzversuch basierte auf der militärisch richtigen Erkenntnis, dass der II. Weltkrieg verloren sei und dass die Fortsetzung des Kriegs Hunderttausende weitere Menschenleben kosten würde. Insofern stellte dieser Putschversuch keine Kritik an den Grundzügen des Nazi-Regimes dar, sondern eine nüchterne militärische Überlegung. Hätte dieses Attentat stattgefunden, wäre zu diesem Zeitpunkt die militärische Lage zum Vorteil Deutschlands gewesen?

Wie war das eigentlich damals? Alle Mitläufer? Alle Mittäter? Alle im Widerstand? Der Widerstand in Deutschland war verschwindend gering. Es gab Gruppen wie das „Rote Orchester“ (und andere, überwiegend von Kommunisten organisierte Widerstandszellen), die Münchner „Weiße Rose“ um die Geschwister Scholl und deren Versuch einer Neugründung später in Hamburg, es gab Einzelpersonen, die Widerstand leisteten, doch in seiner Gesamtheit marschierte das deutsche Volk brav mit. Es ist heute einfach zu kritisieren, doch im Vorfeld hatten die Nazis bereits ein Spitzel-, Überwachungs- und Denunziations-System aufgebaut, das wie geölt funktionierte.

Der Nazi-Staat ging mit der gleichen Brutalität gegen seine inneren wie seine äußeren Gegner vor. Die deutsche Opposition, aus der ein echter Widerstand hätte hervorgehen müssen, war faktisch ausgerottet worden. In den Jahren 1933 bis 1939 wurden 225.000 Menschen aus politischen Gründen zu Gefängnisstrafen verurteilt, während gleichzeitig eine Million deutscher Bürgerinnen und Bürger aus dem gleichen Grund in Konzentrationslager deportiert worden waren. Insofern fehlt in Deutschland auch die Grundlage, auf der sich ein Widerstand hätte entwickeln können.

Und die Gruppe um Claus Schenk Graf von Stauffenberg? Die Motivation der Mitglieder dieser Gruppe ist schwer einzuordnen. Als Militärexperten wussten sie natürlich im Sommer 1944, dass der Krieg verloren war. Dies stellte die hohen Militärs vor mehrere Probleme. Zum einen fürchteten sie um sinnlose Opfer von Soldaten, das Sterben von Hundertausenden weiterer Soldaten, mit denen man offensichtlich noch andere Pläne hatte. Einige Mitglieder dieser Gruppe wollten einen Separatfrieden mit England, um dann gemeinsam weiter gegen Russland zu kämpfen. Und dazu brauchte man Soldaten. Die der Führer gerade seinem Wahnsinn opferte.

Ein weiteres Problem stellte sich auf der persönlichen Ebene. Die Erkenntnis, dass der Krieg verloren war, stellte die Frage nach der persönlichen Verantwortung. Denn immerhin hatten die Generäle, hohen Offiziere, ehemaligen Minister und Bürgermeister bis zum Sommer 1944 das Nazi-System entscheidend mitgetragen. Es ist auch unwahrscheinlich, dass ausgerechnet die hohen Offiziere in dieser Gruppe nichts von den Gräueltaten an den Fronten gewusst haben – für die sie sich nach Kriegsende hätten verantworten müssen. Ein Putsch und ein geordnetes Ende des Nazi-Regimes hätte die Siegermächte auch milder stimmen können, was sicherlich ein Gedanke war, der bei dem einen oder anderen Verantwortungsträger des III. Reichs eine Rolle gespielt haben könnte.

Bis auf Generaloberst Johannes Blaskowitz, der die 8. Deutsche Armee beim Überfall auf Polen kommandierte, sind kaum Stellungnahmen der Verschwörer des 20. Juli gegen das Nazi-Regime selbst bekannt. Blaskowitz hatte bei der Heeresleitung gegen die Kriegsverbrechen der Wehrmacht gegen Polen und Juden protestiert, was zu einer Strafversetzung führte. Ansonsten waren die Argumente der Putschisten vom 20. Juli eher militärisch ausgerichtet.

Viele Historiker sind der Ansicht, dass der Fahneneid auf Adolf Hitler viele hohe Militärs veranlasst habe, zähneknirschend ihren Job innerhalb des Systems zu erfüllen. Dieses Argument erscheint angesichts der Verbrechen, zu denen diese hohen Militärs bis zum Sommer 1944 geschwiegen haben, mehr als schwach. Natürlich war der Versuch des Umsturzes und der Ermordung Adolf Hitlers mutig und verdient Respekt. Noch mehr Respekt hätte er verdient, hätte er deutlich früher stattgefunden. So oder so, eine Lektion bleibt bestehen: Wo Unrecht Recht wird, wird Widerstand Pflicht.

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