Der König hat gesprochen

Die XXL-Pressekonferenz des französischen Präsidenten verlief so, wie man es erwarten musste. Beeindruckende Slogans, wenig Konkretes und ein Präsident, der keinen Aus-Schalter hat.

Emmanuel Macron kann sich stundenlang selbst zuhören... Foto: ScS EJ

(KL) – Der eminente Journalist Alain Duhamel hatte es im Vorfeld dieser „Politik-Show“ gesagt – „ je länger er sprechen wird, desto weniger wird er sagen“. Recht hatte er – Macron redete lange, mehr als zwei Stunden lang und hatte offensichtlich viel Freude dabei, sich selbst reden zu hören. Derweil musste sein ganzes Kabinett inklusive seinem neuen Ministerpräsidenten schweigend im Parterre sitzen und durfte nur anerkennend zu den Worten des obersten Chefs nicken. Der eine oder andere Minister hatte Schwierigkeiten die Augen offen zu halten (nachvollziehbar, denn wenn Macron nicht da ist, reden sie ja selber stundenlang, aber zuhören?) und bis zum Ende vor dem Fernseher dabei zu bleiben, erforderte viel Engagement.

Das Format war ungewöhnlich. Im Festsaal des Elysee-Palastes war diese Pressekonferenz eine Mischung aus Audienz, Regierungserklärung und Selbstbeweihräucherung. Aber es ging nicht nur darum, was die „Macronie“ in sechseinhalb Jahren alles so wunderbar gemeistert hat, sondern auch um ein paar Themen.

Zum Beispiel ging es um die Schule. Macron kündigte an, dass demnächst in 100 Schulen das Tragen von Schuluniformen getestet wird und sollte das Experiment erfolgreich sein, könnte es 2026 auf ganz Frankreich ausgedehnt werden. Dazu will Macron die Lehrerausbildung komplett umgestalten, was natürlich gleichzeitig bedeutet, dass die französischen Lehrer heute nicht gut genug ausgebildet werden. Das werden die Lehrerinnen und Lehrer und ihre Ausbilder sicherlich gerne gehört haben…

Dann soll ab der 5. Klasse eine Art Zivilunterricht ein geführt werden und die Kids sollen künftig auch die Marseillaise singen und Theater spielen. Dazu sollen die Kinder weniger Zeit vor ihren Bildschirmen verbringen, eine hehre Vorstellung, doch auf die Nachfrage eines Journalisten, wie das konkret gemacht werden soll, hatte Macron keine Antwort mehr.

Dann wieder kam eine ganze Salve von Allgemeinplätzen und bei Aussagen wie „Arbeit muss sich wieder lohnen“ hatte man das Gefühl, sie schon seit Jahrzehnten immer wieder zu hören, so dass sie inzwischen schon fast sinnentleert sind.

Make love (and war) – Fast schon witzig waren Macrons Einlassungen zum demographischen Wandel. Er wünscht sich, dass die Franzosen wieder mehr Kinder in die Welt setzen. Als Stimulus will Macron das Elterngeld erheblich erhöhen, damit sich Vater und Mutter in den ersten sechs Monaten gemeinsam um das Baby kümmern können. Da Elterngeld bislang bis zu drei Jahren lang bezogen werden kann, ist das für die Familien eigentlich kein Fortschritt, sondern ein Rückschritt. Aber irgendwo muss das Geld ja für die vielen Kriege eingespart werden.

Auch für das kränkelnde Gesundheitssystem hat Macron bedeutende Pläne. So will er eine „Road Map“ in allen 130 Verwaltungsbezirken aufstellen lassen, unter Einbeziehung aller Akteure, Krankenhäuser, Ärzte, paramedizinische Berufe. Und so will er dann die „medizinischen Versorgungswüsten“ in den ländlichen Gebieten bewässern. Etwas konkreter hätte man sich das schon gewünscht.

Anders als Deutschland, wo die Legalisierung von Cannabis gerade die letzten Hürden nimmt, will Macron den „Krieg gegen die Drogen“ intensivieren. Hierzu sollen jede Woche 10 Operationen in Problemvierteln durchgeführt werden, als ob die Kids in diesen Vierteln deswegen mit dem Kiffen aufhören würden. Und so bleibt Frankreich das Land mit der restriktivsten und leider auch erfolglosesten Drogenpolitik in Europa, aber wenn ein System schon nicht funktioniert, dann engagiert man sich eben noch intensiver auf dem Holzweg.

Erstaunliches hatte Macron zu den Energiepreisen zu berichten, die dieser Tage mal wieder um 10 % steigen. „Die Energiepreise werden schon bald wieder auf normalem Niveau ankommen und dort bleiben“, versprach Macron. Aha. Genaueres konnten die Journalisten aber auch nicht in Erfahrung bringen.

Interessant wurde es dann, als jemand fragte, wieso eigentlich Rachida Dati zur neuen Kultusministerin ernannt wurde, obwohl gegen sie Verfahren wegen „Korruption“ und „Vorteilsnahme“ laufen. Hier machte Macron einen Salto rückwärts, nachdem er 2017 noch die „Exemplarität“ seiner Regierung angekündigt hatte. An die glaubt zwar angesichts der unglaublichen Zahl von Verfahren gegen seine Minister ohnehin niemand mehr, aber bei Rachida Dati war es dann schon enorm, dass diese Frau trotz ihrer laufenden Verfahren zu Ministerehren kommt. Und so verabschiedete sich Macron dann von der „Exemplarität“ und kündigte an, wie alle seine Vorgänger, dass die Justiz ihren Job machen würde. Wie bei Justizminister Eric Dupond-Moretti, dessen Verfahren mit einem juristischen Purzelbaum eingestellt wurde, da natürlich kein Richter seinen obersten Boss in den Knast schickt. Bei Rachida Dati darf man mit Ähnlichem rechnen. Und während Macron erklärte, wie dynamisch und toll die neue Ministerin ist, warf diese dem fragenden Journalisten Blicke zu, für die man einen Waffenschein braucht.

International verurteilte Macron sowohl die Hamas als auch Israel, kündigte an, dass man schon bald die letzten französischen Geiseln befreien will und natürlich bleibt Frankreich fest an der Seite der Ukraine. Das war wenig überraschend.

Die XXL-Show endete um 22:36 Uhr, nach weit über zwei Stunden des Monologs, dessen wichtigste Nachricht im Grunde war, dass auch künftig in Frankreich nicht etwa die neue Regierung etwas zu sagen hat, sondern dass Frankreich auch weiterhin genau einen Boss hat, der alles alleine entscheidet – Emmanuel Macron. Die 18 % der Franzosen, die auch nach sechseinhalb Jahren treue Macron-Jünger sind, werden von diesem Auftritt begeistert sein. Die 82 %, die nicht mehr an die „Macronie“ glauben, werden das wohl anders sehen.

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