Der stille Abschied der Angela M.

Es ist die Amtszeit zu viel. Auf Bundesebene macht gerade so ziemlich jeder Minister, was er will und international interessiert gerade niemanden, was Angela Merkel denkt.

Angela Merkel hat ihre Nachfolgerin bereits ausgewählt. Am besten übergibt sie jetzt an Annegret Kramp-Karrenbauer. Foto: Eurojournalist(e) / CC-BY-SA 4.0int

(KL) – Der Unterschied hätte nicht deutlicher und aussagefähiger sein können – Angela Merkels Besuch in Washington war das krasse Kontrastprogramm zum Besuch des französischen Präsidenten Emmanuel Macron bei seinem neuen Buddy Donald Trump. Während Macron in den (zweifelhaften…) Genuss der kernigen Männerfreundschaft à la Trump kam, wurde die Kanzlerin lustlos und nach protokollarischem Minimum abgefertigt. Was ist nur aus der Frau geworden, die bis 2017 sieben Mal in Folge vom US-Magazin „Forbes“ zur mächtigsten Frau der Welt gekürt worden war?

Gerade einmal drei Stunden konnte Angela Merkel in den USA politische Gespräche führen, die zu allem Überfluss auch noch ergebnislos verliefen. Die Kanzlerin wirkt müde, fast lustlos und man merkt, dass sie weder auf Bundes-, noch auch internationaler Ebene mehr richtig präsent ist. Dies ist allerdings sowohl für Deutschland, als auch für Europa schlecht. Aktuell weht ein Wind der Veränderung durch Europa und dass Deutschland genau in dieser Phase in die Abschiedsstarre der Bundeskanzlerin fällt, ist wenig hilfreich.

Der Fehler passierte bereits in der letzten Legislaturperiode. In dieser Zeit verpasste es Angela Merkel, ihre Nachfolgerin aufzubauen. Dass dies nun durch die Ernennung von Annegret Kramp-Karrenbauer passierte, war zwar richtig, kam aber zu spät. Die kommenden dreieinhalb Jahre der Bundeskanzlerin werden so etwas werden wie die jährlich stattfindende absolut letzte Tournee der Scorpions.

Müde ist sie, die Kanzlerin. Müde von den Angriffen, denen sie seit 2015 ausgesetzt ist. Als Vaterlandsverräterin hat man sie beschimpft, als schlechte Deutsche, als Staatsfeindin. Und zwar deshalb, weil die einzig emotional diktierte Entscheidung ihrer politischen Laufbahn, die Aufnahme von Kriegsflüchtlingen, von rechtsextremen Kräften gegen sie ausgeschlachtet wurde.

Dass die Rechtsextremen so stark werden konnten, ist das Ergebnis der Amtsmüdigkeit von Angela Merkel, denn in den Jahren der Flüchtlingsaufnahme schaffte sie es nicht mehr, die Bundesrepublik reformfähig aufzustellen. Auch in Europa schaffte sie es nicht, die Europäische Union solidarisch aufzustellen. In ihre Amtszeit fällt der Bruch Europas mit dem Brexit, auch den konnte sie nicht verhindern.

Außenpolitisch findet Deutschland nicht mehr statt. Niemand interessiert sich für die deutsche Haltung zur Türkei, zum Krieg in Syrien, zu den Krisen in Afrika. Handelskrieg? Die USA, China und Frankreich sprechen miteinander. Angela Merkel werden, wenn überhaupt, noch die Ergebnisse der Beratungen mitgeteilt.

Dass Angela Merkel nach drei Amtszeiten und einer gesegnet vollen Vita nun langsam die Puste ausgeht, ist verständlich. Doch Deutschland und Europa können nicht darauf warten, dass Angela Merkel 2021 in den verdienten Ruhestand geht und bis dahin nicht mehr viel passiert. Damit sich Europa reformieren kann, braucht es ein starkes, ein dynamisches, ein modernes, ein alertes Deutschland. Unter Angela Merkel wird keines dieser Adjektive bis 2021 zutreffen.

Über die Verdienste der Kanzlerin wird, wie immer, die Geschichte befinden. Doch damit Europa und Deutschland nicht endgültig in die Hände von identitären Populisten fallen, sollte die Kanzlerin jetzt den Weg frei machen. Ihre designierte Nachfolgerin Annegret Kramp-Karrenbauer hat in den Jahren als Ministerpräsidentin des Saarlandes bewiesen, dass sie Reformen durchführen kann, dass ihre stark ausgeprägte soziale Ader (Annegret Kramp-Karrenbauer: „Ich bin wohl die schwärzeste Sozialistin…“) parteiübergreifend anerkannt wird und dass sie die wichtige Achse Paris-Berlin mit Leben füllen kann. Wenn Angela Merkel Deutschland einen letzten großen Dienst erweisen will, sollte sie zurücktreten und ihr Amt an ihre Nachfolgerin abgeben. Jetzt.

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