Der Traum vom Volksaufstand neigt sich dem Ende zu…

Die Mobilisierung der Franzosen für den Aufstand und Staatsstreich schwächt sich immer weiter ab. Bei den nächsten „Akten“ der „Gelbwesten“ wird man sich überlegen müssen, ob man überhaupt noch berichtet.

Nach Akt XI kommt Akt XII, Akt XIII, Akt XIV und die Bewegung der Gelbwesten hat ihr Momentum verloren. Foto: ScS EJ

(KL) – Am Sonntag zeigte sich, wo die „Gelbwesten“ inzwischen wirklich stehen. Eine geplante Menschenkette, die vom Place de la République in Straßburg bis nach Saverne reichen sollte. Doch die Bewegung, die behauptet, „das Volk“ zu sein, hätte mit ihren 30 Teilnehmern nicht einmal eine Kette bis zur benachbarten Tramhaltestelle bilden können…

Am Samstag, beim „Akt XI“, war es nicht viel anders. Rund 300 Demonstranten in Gelb irrten durch die Innenstadt, versuchen, wie sie sagten, „die Wirtschaft zu blockieren“ und zwangen mehrere große Einkaufszentren dazu, für ein paar Minuten die Türen zu schließen. Das Volk nimmt es achselzuckend zur Kenntnis und es kommt auch kaum noch zu Diskussionen zwischen „Gelbwesten“ und der Bevölkerung, was unter anderem daran liegt, dass sich die Forderung der Demonstranten inzwischen auf die Aussage „wir wollen mehr Geld“ beschränkt. Sozialer Fortschritt? Sinnvolle politische Beiträge? Fehlanzeige.

Auch landesweit nimmt die Begeisterung für die von Extremisten durchsetzte Bewegung von Woche zu Woche ab. Nachvollziehbar, dass viele Franzosen, die durchaus die ursprünglichen sozialen Forderungen der „Gelbwesten“ unterstützt hatten, inzwischen immer weniger Lust verspüren, hinter den großmäuligen und selbsternannten Führern dieser Bewegung hinterher zu schlurfen, wenn diese mal „eine Million Demonstranten auf den Champs-Elysées“ oder „einen Volksaufstand unbekannten Ausmaßes“ oder „harte Aktionen, wie ihr sie noch nicht erlebt habt“ ankündigen.

Diejenigen „Gelbwesten“, die erkannt haben, dass der Versuch eines Bürgerkriegs gescheitert ist, und die sich nun an den Debatten beteiligen und planen, an den nächsten Wahlen teilzunehmen, werden von den extremistischen „Gelbwesten“ als Verräter bezeichnet und erhalten Morddrohungen. Dass sich nun langsam, aber sicher, bei den „Akten“ nur noch die Extremisten unter sich treffen, wird dazu führen, dass sich diese Bewegung dorthin entwickelt, wo eine andere soziale Bewegung bereits vor ihr gescheitert ist – auch „Nuits debout“ ist an ihrer Programmlosigkeit gescheitert, mit der sie damals ebenso kokettiert hatte wie heute die „Gelbwesten“.

Die „Gelbwesten“ scheitern an sich selbst. Wenn man zwei Monate lang das Land lahmlegt und jedes Wochenende Gewaltexzesse in den Städten organisiert und dabei fordert, dass man gehört werden will, nur im dann den Dialog zu verweigern, dann verpasst man irgendwann den Moment, an dem man handeln und Ergebnisse erreichen kann. Vielleicht liegt es auch daran, dass den „Gelbwesten“ eines fehlt – Führungspersönlichkeiten, die über die intellektuellen Fähigkeiten der 68er verfügen, wie Jean-Paul Sartre oder Daniel Cohn-Bendit. Da die „Gelbwesten“ inzwischen in ihrer Mobilisierung den Nullkomma-Bereich erreicht haben, muss man feststellen, dass die monatelange Heldenverehrung für die Führer des Mittelmaßes wie „Fly Rider“ oder Eric Drouet mit ihren vollmundig-arroganten Aufrufen zum Staatsstreich gescheitert sind. Sie haben schlicht und ergreifend den Moment verpasst, in dem sie sich hätten organisieren und etwas erreichen können.

Und während die extremistischen Überbleibsel dieser „Bewegung“ immer noch vom Umsturz träumen, gehen die „Großen Nationalen Debatten“ weiter und die Gespräche rund um die dringend erforderlichen sozialen Reformen finden halt ohne sie statt. Da schwadronieren sie immer noch davon, dass sie „das Volk“ sind, während das französische Volk diskutiert, wie man konstruktiv weitermachen kann.

Die kommenden Wochen werden für die „Gelbwesten“ wohl ziemlich traurig werden. Ihre „Akte“ werden irgendwann nur noch von den übelsten Extremisten Frankreichs frequentiert werden, viele ihrer Führer werden sich für ihre Aufrufe zum gewaltsamen Umsturz und anderes verantworten müssen und parallel dazu wird Frankreich einen Richtungswechsel in der Sozialpolitik einleiten. Das wird dann auch der Zeitpunkt sein, an dem viele Salon-Linke in Frankreich, die massiv am Mythos des „edlen Wilden“ arbeiten, erkannt haben werden, dass sie gerade dabei sind, antisemitische, ausländerfeindliche, ultra-nationale Extremisten zu bejubeln, weil diese hach! so authentisch sind.

Immerhin kam es am Sonntag nicht zu der befürchteten Auseinandersetzung zwischen den „Roten Halstüchern“ und den „Gelbwesten“. Aber eine Zahl ist interessant. In Straßburg demonstrierte am Samstag „das Volk“ und mobilisierte dabei rund 300 Demonstranten. Der „Marsch für das Klima“ am Sonntag mobilisierte fünfmal so viel Demonstranten, was die 30 „Gelbwesten“ mit ihrer gescheiterten Menschenkette nur neidisch beobachten konnten. Der Mythos der „Gelbwesten“ neigt sich dem Ende zu und diese Entwicklung verdanken die „Gelbwesten“ ihren geistig nicht ganz so auf der Höhe agierenden Führern, deren Personality Show inzwischen die inhaltlichen Anliegen der „Gelbwesten“ überlagert.

Präsident Macron weiß, dass er am Ende der „Großen Nationalen Debatten“ liefern muss. Und er wird liefern, da er alles daran setzen wird, eine solche Phase wie seit November nicht noch einmal passieren zu lassen. Dafür, dass sich die „Gelbwesten“ selber aus dieser Debatte herausgenommen haben und in wenigen Wochen in der Versenkung verschwinden werden, verdanken sie ihren profilneurotischen Führern. Merke – auch eine Revolution braucht mehr als nur Gewalt. Ein paar denkende Köpfe brauchte jede Revolution in der Geschichte der Menschheit. Und genau die werden den „Gelbwesten“ gefehlt haben.

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