Eddy auf dem Schleudersitz

Der französische Ministerpräsident Edouard Philippe hatte das zweifelhafte Vergnügen, die lauwarmen Maßnahmen auf die Forderungen der „Gelbwesten“ zu verkünden.

Premierminister Edouard Philippe muss gerade alle Fehler seines Präsidenten alleine ausbaden - bevor er gefeuert werden wird... Foto: ScS EJ

(KL) – Es hat wohl schon witzigere Tage in der Karriere des französischen Ministerpräsidenten Edouard Philippe gegeben. Da sich sein Boss, Präsident Emmanuel Macron, inzwischen überhaupt nicht mehr vor die Presse traut, muss eben Edouard Philippe diesen Job übernehmen – und wenn die Maßnahmen nicht den gewünschten Erfolg bringen (was sie nicht tun), eröffnet sich damit für Macron eine weitere Option für seinen eigenen Machterhalt: Er kann Philippe feuern und eine Regierungsumbildung starten. Und so wird es dann wohl auch kommen. Falls nicht vorher der Bürgerkrieg diese Frage ohnehin hinfällig werden lässt.

Gestern verkündete Philippe drei Maßnahmen, mit denen die Regierung die Situation beruhigen will. Dreimal werden Dinge verschoben, die eigentlich im Januar aktuell werden sollten: die geplante Steuererhöhung für Diesel, eine geplante Verschärfung des französischen TÜV („contrôle technique“) und eine geplante Erhöhung der Strom- und Gaspreise. Allerdings sind diese Dinge nur für sechs Monate ausgesetzt und keineswegs vom Tisch. Und die „Gelbwesten“? Sie fühlen sich von diesen vorgeschlagenen Maßnahmen ein weiteres Mal verkohlt. Allerdings könnte Philippe vorschlagen, was er will – die Reaktionen der „Gelbwesten“ wären die gleichen. Denn vielen „Gelbwesten“ geht es gar nicht mehr um das soziale Thema, sie sind vom aufregenden Virus des Aufstands und der Revolution angesteckt.

Wollten die „Gelbwesten“ zunächst vor allem Gehör bei der Regierung finden, schlugen sie dann die Gesprächsangebote der Regierung aus. Und erklärten, dass sie nun gar nicht mehr gehört werden wollen, sondern die Regierung entlassen wollen. Es dürfte relativ wenig Regierungen auf der Welt geben, die auf ein solches Ansinnen positiv reagieren würden. Die originäre Forderung nach dem Verzicht auf die Steuererhöhung für Diesel wurde erst einmal für sechs Monate erfüllt – doch auch die Erfüllung ihrer Forderungen stellt die „Gelbwesten“ nicht zufrieden und reicht nicht einmal mehr als Gesprächsgrundlage. Die „Gelbwesten“ wollen Blut sehen und genau das werden sie am Wochenende in Paris auch erleben, denn mittlerweile geistern jede Menge Aufrufe durch die sozialen Netzwerke, am Samstag bewaffnet (!) nach Paris zu kommen. In guter alter französischer Tradition will man Köpfe rollen lassen und das nicht nur im übertragenen Sinne. Der erste dieser Köpfe, hoffentlich noch im übertragenen Sinn, wird der von Edouard Philippe sein, der sich als „Bauernopfer“ geradezu anbietet.

Seit den Unruhen in Paris am letzten Wochenende beeilen sich viele „Gelbwesten“ zu erklären, dass man ja selber gegen Gewalt gegen Sachen und Menschen sei und dass man nichts mit den Vorkommnissen in Paris zu tun habe. Damit machen es sich die „guten Gelbwesten“ etwas zu einfach. Jeder, der zur Revolutionsparty nach Paris einlädt, trägt die Verantwortung dafür, was am Wochenende in Paris geschehen wird. Denn es ist nun nicht so, dass man sich nicht vorstellen kann, was am Wochenende in Paris geschehen wird. Wer die Welle der Gewalt anstachelt, wer dem Bürgerkrieg das Wort redet, der kann sich hinterher nicht herausreden und sagen, mit der Gewalt hätte er oder sie aber nichts zu tun.

Dass der sich inzwischen wohl nur noch im Keller des Elysee-Palasts versteckende Präsident Macron nicht traut, in dieser dramatischen Situation die Führung seines Landes zu übernehmen, ist Wasser auf die Mühlen derjenigen, die seinen Rücktritt fordern und in der Tat, Emmanuel „Jupiter“ Macron ist eine Fehlbesetzung für sein Amt. Aber wo waren denn die angeblich 70 % der französischen Bevölkerung im Superwahljahr 2017? Warum haben sie nicht an den Wahlen teilgenommen? Und diejenigen, die teilgenommen haben, warum haben sie den Sunnyboy zum Präsidenten gewählt? Wenn man die Forderungen der „Gelbwesten“ liest, dann wundert man sich, dass die Kommunistische Partei Frankreichs nicht 40 % der Stimmen holt – einen Umsturz der politischen Verhältnisse hätten die „Gelbwesten“ auch an der Wahlurne herbeiführen können. Aber das wäre wohl zu „unfranzösisch“ – eine Veränderung der politischen Gegebenheiten geht bei unseren westlichen Nachbarn wohl wirklich nur über Blutvergießen.

Würde Emmanuel Macron und den „Gelbwesten“ wirklich das Wohl Frankreichs am Herzen liegen, würden beide nach Hause gehen. Macron ist als Präsident tatsächlich kaum noch haltbar und sein Verhalten in dieser Krise zeigt, dass er wirklich nicht das Format hat, Frankreich zu führen. Lösungen wird es nur im Dialog geben, doch ist mehr als fraglich, ob es diesen Dialog überhaupt noch geben wird. Die Vorstellung, dass künftig Frankreich von alkoholisierten Schlägern gemanagt werden soll, ist allerdings nicht sonderlich attraktiv. Nur – für Vernunft ist im Dezember 2018 in Frankreich leider kein Platz mehr…

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